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„Grüne Spiele“ auf verseuchtem Boden

Hindernisse auf dem Weg zur umweltverträglichen Olympiade: Industriemüll muß weg, Waldgebiete sowie die größte Solarsiedlung der Welt sollen geschaffen werden. Kritik an fehlendem Gesamtplan  ■ Aus Sydney Lars Abromeit

Die australische Metropole hat sich für die Austragung der Olympischen Sommerspiele im Jahr 2000 ein hohes Ziel gesetzt: „Zum ersten Mal in der Geschichte Olympias soll Umweltschutz nicht nur prestigeträchtiges Detail sein, sondern genauso im Zentrum der Planung stehen wie der Sport als solcher“, sagt Sandy Watson von der „Olympic Co-Ordination Authority“ (OCA) in Sydney, die für die Umsetzung dieses „Green Games“-Konzepts verantwortlich ist. Das ehrgeizigste Projekt der OCA ist dabei die Sanierung des Olympiageländes Homebush Bay, das in den 70er und 80er Jahren eine Ablagerungsstätte für hochgiftigen Industriemüll war. Seit 1993 wird der Boden des 760 Hektar großen Geländes komplett saniert: 500.000 Kubikmeter Erde müssen dafür abgetragen, umgelagert und entseucht werden. Das Homebush-Bay-Projekt ist damit das bisher umfangreichste Bodensanierungsprojekt in Australien überhaupt und wird voraussichtlich umgerechnet 84 Millionen Mark kosten. Ein wesentlicher Bestandteil der OCA-Strategie ist die Wiederverwendung alten Baumaterials etwa von abgerissenen Häusern und Straßen für die Landschaftsgestaltung.

Das Projekt soll auch die zerstörten Sumpf- und Waldgebiete der Homebush Bay Area wieder zum Leben erwecken und vom Aussterben bedrohte einheimische Pflanzen und Tiere in die Region zurückbringen.

Auch in der Architektur der neuen Olympiagebäude will Sydney Maßstäbe setzen und erheblich Wasser, Energie und Baumaterial einsparen. So werden sämtliche Gebäude der Homebush Bay Area mit einem komplexen Wasserrecyclingsystem ausgerüstet, das Abwasser speichern und für Toilettenspülungen und Bewässerungsanlagen wieder aufbereiten wird. Durch zahlreiche Lichtschächte und Glasdächer soll natürliches Licht optimal ausgenutzt und gleichzeitig ausreichend Luftzirkulation zur Kühlung erlaubt werden, so daß auf den Einsatz von Klimaanlagen weitgehend verzichtet werden kann.

Als Transportmittel zu den Wettkämpfen werden die Zuschauer der „Öko-Olympics“ schließlich ganz auf Busse, Züge und Fähren angewiesen sein. Insgesamt soll laut OCA-Jahresbericht allein durch solche „passive“ Maßnahmen zur Energieeinsparung die Emission von Treibhausgasen um 10.000 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Ähnlichen Erfolg versprechen sich die Veranstalter auch von der Konstruktion des Olympischen Dorfes. Dieses wird dank geschickter Architektur und 1.000 Solarpaneelen auf den Dächern voraussichtlich etwa 60 Prozent weniger konventionell erzeugten Strom verbrauchen als herkömmliche Häuser und völlig auf die Verwendung von umweltschädlichem PVC verzichten können. Nach den Spielen sollen die Wohnräume privat vermietet werden und den größten mit Solarenergie versorgten Stadtteil der Welt bilden.

Peggy James, Koordinatorin der unabhängigen Beobachterorganisation „Green Games Watch 2000“ ist trotzdem kritisch: „Es fehlt immer noch ein konkreter Managementplan für die Homebush Bay Area, der die Ökosysteme der Region wirklich ernst nimmt und nicht nur als Verzierung in die Parkanlagen einschließt.“

Ein vor kurzem von „Green Games Watch 2000“ in Auftrag gegebener wissenschaftlicher Zwischenbericht kam zu dem Ergebnis, das die Veranstalter auch im Bereich „Müllvermeidung und -recycling“ sowie in ihren Bemühungen zur Verbesserung der Luft-, Wasser- und Bodenqualität des Olympiageländes noch weit von den Vorgaben der „Umweltrichtlinien“ des IOC entfernt sind. Besonders die jüngsten Funde von hohen Konzentrationen des Giftes Dioxin in angeblich bereits saniertem Erdreich haben in den australischen Medien für Aufruhr gesorgt. „Weil Olympia so wichtig für das Image Sydneys und Australiens ist, tendiert die OCA öfter dazu, solche Probleme eher zu vertuschen, als zu lösen“, meint auch Darryl Luscombe von Greenpeace Australia. „Außerdem unterliegen die Bauarbeiten so engen Zeitplänen, daß Umweltfragen dabei häufig auf der Strecke bleiben.“

Finanzielle Probleme mit dem „Green Games“-Konzept scheinen dagegen bisher nicht ersichtlich zu sein: „Wir liegen voll im Kostenplan“, sagt Sandy Watson, und auch Peggy James zeigt sich in dieser Hinsicht optimistisch: „Das Sanierungsprogramm fördert massiv private Investitionen in der gesamten Gegend, und auch die umweltfreundliche Architektur der Gebäude wird sich als Energieeinsparung bald auszahlen.“ Bleibt zu hoffen, daß Australien diese Weisheit auch über den Rand der olympischen Schüssel hinaus in seine Politik zur Reduzierung von Treibhausgasen mit einbezieht.

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