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Bayerische Kleinstadt schafft Ausländerbeirat ab

■ Im mittelfränkischen Hersbruck löst die CSU-Mehrheit im Stadtrat das Gremium mit einem Überraschungscoup auf. Begründung: Ausländern fehlt die Erfahrung mit der Demokratie

Nürnberg (taz) – Im neuen Jahr gibt es in Bayern einen Ausländerbeirat weniger. Eine Mehrheit aus CSU und Freier Wählergemeinschaft schaffte im mittelfränkischen Hersbruck das Gremium, das die Integration von Ausländern vorantreiben sollte, drei Jahre nach seiner Gründung kurzerhand wieder ab. Viele Ausländer hätten mit Instrumenten der Demokratie eben „keine Erfahrung“, begründeten die Stadträte ihr Vorgehen.

Für SPD-Bürgermeister Wolfgang Plattmeier ist die in Bayern bislang einmalige Entscheidung ein „Signal in die falsche Richtung“. Vor drei Jahren war in der 12.000 Einwohner zählenden Stadt der Ausländerbeirat gegen die Stimmen der CSU ins Leben gerufen und mit 3.000 Mark im Jahr ausgestattet worden. Er sollte die Interessen der etwa 800 in Hersbruck lebenden Ausländer vertreten. Mit 54 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung einen Spitzenwert.

Zum Vorsitzenden wurde Hüseyin Basusta gewählt, der sich fortan für die Verbesserung der Wohn- und Schulsituation der Ausländer stark machte. Nach seiner Heirat nahm Basusta die deutsche Staatsbürgerschaft an und schied aus dem Gremium aus. Er hinterließ ein Lücke, die im neuen Beirat niemand schließen konnte. Das Gremium traf sich zuletzt monatelang nicht mehr.

Für die CSU im Stadtrat Grund genug, schon im Frühjahr die Abschaffung des Ausländerbeirates zu fordern. Statt dessen sollten sich die Ausländer in einem Verein organisieren. Damals unterlag sie noch mit ihrem Antrag. Alle Fraktionen einigten sich darauf, eine Neuwahl des Ausländerbeirats für den 8. Februar 1998 anzusetzen.

Den erneuten, dann erfolgreichen Vorstoß der CSU in der letzten Stadtratssitzung dieses Jahres wertet Bürgermeister Plattmeier als „Überraschungscoup“. Er kritisiert, daß man dem Ausländerbeirat „überhaupt keine Chance“ eingeräumt habe, „sich zu bewähren“. „Ein demokratisch gewähltes Gremium ist doch kein Spielzeug, das ich wie bei einem kleinen Kind zur Strafe einfach wieder wegnehmen kann“, empört sich Wolfgang Plattmeier, der vor über zehn Jahren als erster Sozialdemokrat zum Bürgermeister von Hersbruck gewählt worden ist.

Der erste Beiratsvorsitzende Hüseyin Basusta sieht das ähnlich: „Wenn sich Stadträte zuwenig engagieren, löst man doch auch nicht den Stadtrat auf.“ Hüseyin Basusta findet, man hätte seine Nachfolger bei deren Arbeit mehr unterstützen müssen. Der CSU wirft er vor, die Gründe für die Untätigkeit des Gremiums zu ignorieren. „Viele Ausländer würden sich mehr engagieren, wenn sie nicht immer wieder frustriert und Benachteiligungen spüren würden“, betont Basusta. Um genau darüber zu reden, sei „ein Ausländerbeirat wichtig“.

Doch den gibt es jetzt nicht mehr. Für den Hersbrucker Bürgermeister Wolfgang Plattmeier ist dies in einer Zeit, in der „vieles einfach den Ausländern in die Schuhe geschoben“ würde, schlichtweg eine „unbedachte Entscheidung“. Bernd Siegler

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