: Partnerschaft erwünscht
Das Internationale Design Zentrum Berlin kämpft um finanzielle Unterstützung: jetzt in einer ehemaligen Glühlampenfabrik in Friedrichshain■ Von Günter Höhne
Als das Berliner Osthafengelände noch DDR-Grenzgebiet war, kündete von der Warschauer Straße her, hoch über den Dächern von Friedrichshain, ein großer, mit Einbruch der Dunkelheit beleuchteter Glaskubus vom Standort des wichtigsten Glühlampenherstellers im Ostblock: dem Kombinat VEB Narva „Rosa Luxemburg“. Bei günstigem Wind war nachts am westlichen Spreeufer das Rattern und Scheppern der rund um die Uhr laufenden Anlagen zu hören. Teile von ihnen, so klagten die Arbeiterinnen dort, waren fast so alt wie die Gemäuer, in denen anno 1909 die Auer-Gesellschaft mit der Berliner Glühlämpchenproduktion begonnen hatte. Nach der Wende konnte kein Investor mit dem abgewirtschafteten Narva- Betrieb etwas anfangen. 1992 gingen hier die letzten Lichter aus.
Fünf Jahre später erblickt man hinter der Oberbaumbrücke am U-Bahnhof Warschauer Straße eine Baustelle. Das ehemalige Narva-Gebäude ist entkernt, der gläserne Turmaufbau verschwunden. Nach der Komplettsanierung soll das einst erste Hochhaus Berlins – um einen fünfgeschossigen Glasaufbau aufgestockt – Wahrzeichen der neu entstehenden „Oberbaum-City“ mit ihren insgesamt 46.000 Quadratmetern Gewerbe- und Wohnfläche sein. Unmittelbar in Front zur U-Bahn- Trasse präsentiert sich der erste fertiggestellte große Gebäudekomplex mit renovierter Gründerzeitfassade, frischer, roter Dachhaube und wiederhergerichteten Innenhöfen.
Zu den neuen Mietern gehört das Internationale Design Zentrum Berlin, das die letzten neun Jahre in einer Beletage am Ku'damm residierte. IDZ-Vorstandsvorsitzender Rudolf Stilcken nennt die Inbesitznahme der neuen Adresse ein „kleines Wunder“. Vor Jahresfrist nämlich sah es noch so aus, als müßte sich das IDZ als eine der dienstältesten und renommiertesten Designpromotion-Institutionen der Bundesrepublik wieder einmal – wie schon Anfang der 80er Jahre – in irgendein Berliner Hinterzimmer zurückziehen.
Aus heiterem Sommerhimmel 1996 waren ihm vom Berliner Senat die seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre regelmäßig bewilligten, wenn auch nach 1990 alljährlich gekürzten Fördermittel gestrichen worden. Die spontane Initiative der rund 500 Vereinsmitglieder des IDZ, ihre Beiträge zu verdoppeln, das verstärkte finanzielle und materielle Engagement von Sponsoren und die Forcierung einer auf nennenswerte wirtschaftliche Einnahmen orientierten Geschäftsführungsstrategie konnten das Schlimmste verhüten. Und als ein unerwarteter neuer Verbündeter trat die Sirius Immobilien- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH auf den Plan, die sich der Wiederbelebung des ehemaligen Narva-Geländes annimmt: als Nichtmitglied des IDZ kam sie dem quartiersuchenden Designzentrum „zu sehr freundlichen Konditionen in einem Fünfjahresmietvertrag“ entgegen, wie die Geschäftsführerin Angela Schönberger sagt.
Gleich nebenan ist der Sitz der Berliner Fachhochschule für Mode und Design sowie des Fachbereichs Kommunikationsdesign der FH für Technik und Wirtschaft. In der weiteren Nachbarschaft soll sich bald ein veritables Potential von designorientierten Firmen und Institutionen ansiedeln. Das IDZ spielt in diesem Kalkül den Vorreiter. Es bezog nun zwei Etagen mit drei Ebenen – großzügige Räume mit rund 760 Quadratmetern, einer doppelt so großen Fläche wie sie zuvor am Ku'damm hatten. Vom Leseraum der Bibliothek in der 4. Etage, in der sich auch der Empfangsbereich und die Arbeitsräume befinden, führt eine Wendeltreppe zum Bücher- und Zeitschriftendepot. Unter der von Stahlprofilen getragenen Dachhaube, ist Platz für Veranstaltungs- und Ausstellungsaktivitäten. Geschäftsführerin Schönberger schwärmt vom neuen Standort: „Hier im Osten passiert in den kommenden Jahren soviel Wesentliches für das neue, moderne Erscheinungsbild der Hauptstadt, und genau deshalb sind wir glücklich, da mittendrin agieren zu können.“
Dem sind aber sowohl finanzielle als auch personelle Grenzen gesetzt. So bleibt nach dem Umzug ausgerechnet die Fachbibliothek auf absehbare Zeit geschlossen. Die Haushaltsdecke des IDZ-Vereins reicht weder für Personal noch für Zeitschriftenabonnements. Derzeit sucht man händeringend nach Verlagen und Firmen mit Design-Affinitäten, die unter ihrem guten Namen den bis vor einem Jahr einzigen allgemein zugänglichen komplexen Design-Literatur- und Zeitschriftenfundus in Berlin wieder nutzbar machen.
Um das vom IDZ-Vorstand beschlossene Programm bis zum Jahr 2000 zu sichern, wird verstärkt der Schulterschluß mit spendenfreudigen Unternehmen und Finanzinstituten gesucht. So weist ein Blick auf die ersten Seiten des Terminkalenders für 1998 auf eine mit der Deutschen Ausgleichsbank in Berlin geplante „Präsentation Innovative Unternehmnen“ aus. Die Gefahr, daß sich das IDZ von seiner traditionsreichen Rolle eines gemeinnützigen kultur- und wirtschaftsfördernden Berliner „Botschafters des Designs“ zum bezahlten Ästhetikanwalt darstellungsbeflissener Partnerfirmen entwickeln könnte, ist nicht von der um milde Gaben bittenden offenen Hand zu weisen, der sich die öffentliche Hand entzog. Es wäre ein großes Wunder, wenn sich das vermeiden ließe.
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