Kommentar: Die Mutter aller Schlachten
■ Die FDP rüstet sich für ihr Dreikönigstreffen
Die FDP hat ihr Milieu verloren, ihr Geld, ihre politische Funktion, ihr intellektuelles Potential, ihre Macht in den Ländern – und jetzt bringt sie sich auch noch um den Rest ihres Verstandes. Seit zwei Wochen heulen sich die führenden FDP-Politiker Tag für Tag gegenseitig die Ohren voll, was aus ihrer schönen Partei denn nun werden soll, und wie es sich für überzeugte Liberale gehört, gibt es keine intellektuellen Mindestanforderungen, die erfüllt werden müssen, bevor man sich äußern darf.
Alles ist erlaubt. Ganz vorne weg der ehemalige Deutschlehrer Wolfgang Gerhardt. „Kurshalten in schwieriger Zeit“, teilte der Parteivorsitzende in einem Brief den 70.000 FDP-Mitgliedern zum Jahreswechsel mit, „das ist die Aufgabe, die wir gemeinsam meistern müssen.“ Präziser kann man das Programm des Liberalismus in Deutschland nicht beschreiben.
Vielleicht sollte man der FDP-Führung zugute halten, daß sie von den gravierenden Problemen, die die Partei hat, zwischen Weihnachten und Neujahr überrascht worden ist. Das kann vorkommen. Gerhardt, Westerwelle und Solms haben sich sofort darangemacht, den Fehler auszubügeln. Gleich morgen, beim Dreikönigstreffen wollen sie die Probleme lösen. Die in jeder Hinsicht bedeutungslose Veranstaltung ist dafür wie geschaffen. Das Dreikönigstreffen, bringt es der baden- württembergische FDP-Vorsitzende Walter Döring auf den Punkt, müsse ein „nach innen gerichteter Feldgottesdienst“ werden. Warum nicht gleich die Mutter aller Schlachten der deutschen Parteiengeschichte seit 1848?
Wenn alles gutgeht, wird die FDP in diesem Jahr bei der Landtagswahl in Niedersachsen 4,5 Prozent erreichen, in Sachsen-Anhalt 3,7 Prozent, in Bayern 2,9 Prozent und bei der Bundestagswahl 5,0 Prozent. Der politische Liberalismus in Deutschland wäre gerettet. Die FDP wäre die einzige selbsternannte Reformpartei, die es ohne jedes politische Konzept in den Bundestag geschafft hätte. Guido Westerwelle könnte weitere vier Jahre mit professioneller Vermarktung und radikalen Sprüchen so tun, als seien die Liberalen die gesellschaftliche Avantgarde des Neoliberalismus. Das liberale Milieu, das er sucht, wird er auch im nächsten Jahrtausend nicht finden. Aber das macht nichts. Kurshalten in schwieriger Zeit, das ist die Aufgabe, die die FDP gemeinsam meistern muß. Jens König Berichte Seite 7
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