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Ein weites Feld wird zum Zankapfel

■ Am Dahlemer Albrecht-Thaer-Weg sollen Grundstücke der ehemaligen Preußischen Landwirtschafts-Hochschule verkauft werden. Die drei Universitäten, die dort heute über Ackerbau und Genetik forschen, streite

80 Morgen groß ist das Gelände am Albrecht-Thaer-Weg in Dahlem. Das alte Flächenmaß stand einmal für einen Acker, den ein Bauer mit seinem Gespann an einem Morgen pflügen kann. So kann man rechnen, denn zwischen Schorlemer- und Lentzeallee wachsen Raps und Senf, Weizen und Gerste. Und wer von der Gregor-Mendel-Straße über die Hecke schaut, sieht Schafe, Ziegen, Schweine und Kühe.

Aber die Tage dieser Idylle scheinen gezählt. Denn das Gelände der ehemaligen Königlich Preußischen Landwirtschaftlichen Hochschule gehört dem Land Berlin. Das ist bekanntlich knapp bei Kasse, und dann verwandeln sich 80 Morgen in 200.000 Quadratmeter, die man gut zu Geld machen kann. Noch wird das Gelände von den drei Berliner Universitäten genutzt, die hier über Ackerbau, Tierzucht oder Genetik forschen.

Wenn Teile des Geländes verkauft werden, steht dem jetzigen Nutzer die Hälfte des Erlöses zu. Das regelt ein Finanzvertrag, den das Land im Frühjahr mit den Unis geschlossen hat. Fragt man, welche Universität wieviel Geld bei welchem Grundstück bekommen würde, seufzt es aus allen Telefonen: „Das ist eine schwierige Frage“. Warum das so ist, zeigt ein Blick zurück.

Die Gebäude am Albrecht- Thaer-Weg wurden 1922/23 errichtet. Architekt Heinrich Straumer zeichnete Häuser, Scheunen und Gewächshäuser aus einem Guß im englischen Landhausstil. Roter Backstein und solide Bauweise. 1932 wird die Landwirtschaftliche Hochschule der Berliner Universität angegliedert. Nach der Teilung der Stadt gehören die Institute zuerst noch zur Ostberliner Humboldt-Universität. Im Januar 1951 wechseln sie zur Technischen Universität (TU) und bilden dort die Landbaufakultät. 20 Jahre später wird ein Institut dem Fachbereich Biologie der Freien Universität (FU) angegliedert. Im April 1993 gehen die meisten Institute am Albrecht-Thaer-Weg wieder zurück an die Humboldt-Universität (HU). Zwei bleiben bei der TU, und auch die FU behält ihr Institut, so daß sich heute gleich drei Universitäten den traditionsreichen Campus teilen.

Und wer würde jetzt die 50 Prozent Universitätsanteil kassieren? Eine Frage, die verständlicherweise auch die Unis bewegt, denn in Dahlem werden bis zu 2.000 Mark für einen Quadratmeter Bauland gezahlt. Die HU hat schon ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben und kommt zu dem Ergebnis, daß der Erlös dem Nutzer zum Zeitpunkt des Verkaufs zusteht. Die TU sieht das natürlich anders. Sie hat den kostbaren Boden vorher genutzt und muß auch jetzt noch für den Unterhalt der Gebäude aufkommen. Wenn der Dachdecker zur HU am Albrecht- Thaer-Weg kommt, muß die TU zahlen. So steht es in einem Vertrag der beiden Universitäten, der Ende 1997 ausgelaufen ist. Diesen Vertrag, der durch eine endgültige Lösung ersetzt werden sollte, möchte die TU verlängern.

Die Frage, ob und welche Flächen verkauft werden, hängt wesentlich an der Planung der Universitäten für den Standort Albrecht-Thaer-Weg. Bisher hat sich nur die FU endgültig entschieden. Sie wird ihr Institut behalten, und auch Ackerfläche wird für Lehre und Forschung weiterhin benötigt. Der Senatsverwaltung für Finanzen wurde deshalb nur ein Teil des über 30.000 Quadratmeter großen Grundstücks angeboten. Die TU ist am Albrecht-Thaer-Weg nur noch mit zwei Instituten des Fachbereichs Landschaftsentwicklung vertreten, Zukunft noch ungewiß. Den größten Teil des Geländes nutzt die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der HU. Einige der Institute sind schon nach Mitte gezogen, und über das Schicksal der übrigen Institute wird im Frühjahr 1998 entschieden.

Der Wert der Grundstücke am Albrecht-Thaer-Weg ist dabei nicht ohne Bedeutung. Die Arbeitsgemeinschaft „Grundstücksmanagement“ beim Vizepräsidenten der HU will verständlicherweise einen maximalen Erlös erzielen. Ob das gelingt, bleibt unklar, denn die meisten Gebäude am Albrecht-Thaer-Weg stehen unter Denkmalschutz. Eine Bebauung der Freiflächen wird auf diese Gebäude Rücksicht nehmen müssen, und das ist nicht billig. Für eine Wohnbebauung müßte außerdem der Flächennutzungsplan geändert werden, der das Gelände bisher als „Gemeinbedarfsfläche mit hohem Grünanteil“ ausweist. Im Bezirksamt Zehlendorf ist man nicht glücklich mit den Verkaufsplänen. Dort würde man lieber den jetzigen Zustand erhalten. Denn der Campus ist keine geschlossene Veranstaltung.

Viele machen hier Sonntagspaziergänge. Hier stehen viele seltene Baumarten, eine Sammlung alter Apfel- und Birnensorten und allerlei genetische Kuriositäten. Ein Schaugarten zeigt die Evolution von Weizen, Kartoffeln oder Raps. „Der Geländebereich am Albrecht-Thaer-Weg ist langfristig nicht mehr als Hochschulstandort anzusehen“, heißt es aus der Senatsverwaltung für Finanzen. 75 Jahre, einen Weltkrieg und die deutsche Teilung hat die Königlich Preußische Landwirtschaftliche Hochschule überstanden. Vielleicht überlebt sie ja auch die Berliner Finanzkrise der 90er Jahre. Bernd Plümper

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