: Wer führt hier wen hinters Licht?
■ betr.: „Instandbesetzung der Bundeswehr“ von Ralf Fücks, taz vom 2.1. 98
Keine Armee ist demokratisch ausgerichtet, weil sie ausschließlich auf Befehl und Gehorsam funktioniert. Jede Armee und auch die Bundeswehr funktionieren unter den gegebenen Strukturen in jedem Staatssystem. Die Armee braucht sich kaum verändern, muß sie sich doch nur dem Primat jeweiliger Politik unterwerfen. Für eine Demokratisierung der Bundeswehr von innen heraus, fehlt der politische Veränderungswille. Die Chance für einen Demokratisierungsprozeß und einen anderen Geist in der Bundeswehr bot das Darmstädter Signal. Nicht zuletzt die Disziplinierungsversuche des Signal-Mitglieds Helmut Prieß beweisen, daß bis in die politische Führung hinein zivilcouragierte Soldaten nicht gefragt sind. Solange der politische Geist der Bundeswehrverantwortlichen kein anderer ist, darf die Forderung nicht lauten: liberale Kräfte in die Bundeswehr, sondern Abschaffung der Bundeswehr. Und wenn der politische Geist ein anderer ist, brauchen wir vermutlich kein Militär mehr. Jürgen Korell, Wiesbaden
[...] Wie sollen wir das verstehen? Die republikanische Armee, wie Fücks sich das vorstellt, als Bildungslager für (rechte) Jugendliche? Die bisher fehlenden Linken sollen die Rechten erziehen, und zwar innerhalb der Armee, in einem Alter, wo die Sozialisation zum größten Teil abgeschlossen ist? Somit wird das Problem Rechtsextremismus erneut auf die Jugend projiziert, die Verantwortung der Politik, die nicht länger in der Lage ist, Jugendliche zu motivieren oder mobilisieren, wird abgeschoben in die Reihen der Rekruten. Aber die allzu traditionsverbundene Bundeswehr soll „out of area“, um im ehemaligen Jugoslawien Gesinnungsgenossen in Zaum zu halten (mit Unterstützung eines Teils der grünen Bundestagsfraktion). Wer führt hier wen hinters Licht?
Genauso widersinnig ist die Befürwortung einer ökologischen Steuerreform (Ralf Fücks in der Sonderbeilage „Wirtschaft im Umbruch – Zukunft der Arbeit) einerseits und die Urheberschaft des Bremer Müllgebührensystems andererseits. In jenem System wird nämlich derjenige, der weniger Müll produziert als die behördlich vorgesehene Mindestmenge bestraft und die Anstrengungen der BürgerInnen, Plastikmüll zu trennen, wird belohnt mit einer Spende dieses Mülls an die Klöckner- Stahlwerke, die das ganze verheizen. Das ist Öko-Politik à la Ralf Fücks. Wie sagt die Heinrich-Böll- Stiftung? „Die Mittel sind bekannt, der Wille fehlt.“
Die PolitikerInnen sollten sich mal an die eigene Nase fassen. Es reicht nicht, anderen zu empfehlen, was die zu tun hätten. Es geht darum, den Dialog zwischen Politik und Gesellschaft wiederherzustellen. Das heißt unter anderem auch eine Auseinandersetzung mit rechten Bundeswehrsoldaten, mit ihrem Umfeld, mit den Familien und Nachbarn in ihrer Heimat. Zuhören, zuhören, zuhören. Das wäre republikanisch, das wäre Zivilcourage. Alles andere sind Lippenbekenntnisse, und die schaden eher der Demokratie. Ronald Matthyssen, Bremen
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