: Rückzieher
■ ORB-Intendant Rosenbauer will nicht um die arte-Präsidentschaft kämpfen
Es hätte so schön werden können. ORB-Chef Hansjürgen Rosenbauer wechselt zu arte nach Straßburg, als erster Deutscher im angesehenen Präsidentenamt des Kulturkanals: Welch eine Krönung der Karriere des 56jährigen ehemaligen „Kulturweltspiegel“- Moderators. Doch am Montag ließ Rosenbauer überraschend mitteilen, er stehe nicht mehr zur Verfügung. Nun wird über die Gründe für den Rückzieher gerätselt, die ARD ist blamiert und das ZDF mit einem eigenen Personalvorschlag in komfortabler Position.
Die vom ARD-Vorsitzenden und MDR-Intendanten Udo Reiter ausgelöste erneute Debatte um den Stellenwert kleiner Rundfunkanstalten habe den Ausschlag für den Verzicht gegeben, verlautbarte der ORB. Reiter hatte kurz vor Weihnachten erklärt, das ARD-Programm werde künftig überwiegend von Großsendern wie WDR, NDR, BR und MDR bestimmt, produziert und bezahlt. Eine „Anpassung“ der ARD-Satzung sei das „kleinste Problem“. Im Klartext: Wenn die Kleinsender schon kein Geld haben, sollen sie sich gefälligst auf Radios und die dritten Fernsehprogramme beschränken und in Intendanten- oder Chefredakteursrunden zum Hauptprogramm nicht mehr gleiches Stimmrecht haben.
Rosenbauer hatte offenbar keine Lust, von Straßburg aus einem ORB am Katzentisch zuzusehen. Zumal er den Sender in einer schwierigen Lage verlassen hätte: Für die nächsten Jahre rechnet man in Potsdam mit jährlichen Defiziten von über 30 Millionen Mark. Sind die Reserven aufgebraucht, wird das Buhlen von NDR und MDR um engere Kooperationen größer werden. NDR- Chef Jobst Plog wird nachgesagt, er hätte gern einen Fuß in der Hauptstadtregion. In Leipzig wird schon länger geklatscht, ORB sei die Abkürzung für „Objekt Reiterscher Begierden“. Daß sich Reiters mitteldeutsche Volksmusikstation seinen sorgsam aufgebauten Sender einverleibt, muß für Hansjürgen Rosenbauer eine Horrorvorstellung sein.
Aus Leipzig kam prompt die Antwort auf den Verzicht: Rosenbauer lasse die ARD „in einer wichtigen Personalfrage kurzfristig im Stich“, erklärte der MDR-Chef auf Anfrage. NDR-Chef Plog, gleichzeitig Vorsitzender der arte- Mitgliederversammlung, wetterte, noch am 19. Dezember habe die ARD dem ZDF Rosenbauers Kandidatur vorgetragen. Seitdem habe sich in der Strukturdebatte nichts Neues ereignet. ARD und ZDF wollten sich über einen gemeinsamen Kandidaten verständigen, der dann von den französischen arte-Funktionären aus Proporzgründen akzeptiert worden wäre. ZDF-Intendant Dieter Stolte hatte der ARD gezürnt, weil diese „in höchstem Maße unkollegial“ Rosenbauer ausgesucht hatte, ohne ihn zu fragen. Das ZDF schlug seinerseits Gottfried Langenstein vor, in Mainz Hauptabteilungsleiter für internationale Angelegenheiten. Freilich wurden Rosenbauer – schon vom Status seines bisherigen Amtes her – die besseren Chancen eingeräumt. Der ZDF-Kandidat war eher dazu ausersehen, der ARD andere Zugeständnisse abzutrotzen.
Dies ist nun anders. Stolte konnte auf Nachfrage gelassen erklären, der ZDF-Vorschlag Langenstein bestehe fort. In Mainz wird der 43jährige als „knallharter Pragmatiker“ gelobt, der jüngst die vielbeachtete Online-Kooperation zwischen ZDF und Microsoft eingefädelt habe. Für den Kulturkanal qualifizieren ihn Erfahrungen bei Filmprojekten und als Projektleiter des Münchner Theaterfestivals. Die ARD bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung. NDR-Chef Plog erklärte, man werde über einen neuen Kandidaten für das Amt des arte-Präsidenten nachdenken. Georg Löwisch
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