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IWF um Milde anflehen

Die asiatischen Krisenländer stöhnen unter den Auflagen des Währungsfonds, die nicht mal wirken  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Während täglich neue Hiobsbotschaften aus den Börsen und Wechselstuben Asiens dringen, wird die Kritik am Internationalen Währungsfonds (IWF) immer lauter und bissiger. Denn die Banker haben sich mit ihren Vorhersagen über Wechselkurse und Wirtschaftswachstum schwer verschätzt.

Zwar brachte der IWF Kredite von über 100 Milliarden Dollar auf, um Thailand, die Philippinen, Indonesien und Süd-Korea vor dem Bankrott zu retten. Aber er verband diese Hilfe mit harten Bedingungen: Die Regierungen mußten versprechen, ihre Wirtschaft weiter gegenüber dem Ausland zu öffnen und drastisch bei den öffentlichen Ausgaben zu sparen.

Jetzt hat Thailands Finanzminister Tarrin Nimmanahaeminda angekündigt, nach Washington zu reisen, um dort eine Lockerung der harten IWF-Auflagen zu erreichen. Tarrins Hauptsorge ist der Haushalt, der laut Währungsfonds mindestens 1,4 Milliarden Dollar Überschuß aufweisen soll. Dieser Wert sei nicht zu erreichen, obwohl die thailändische Regierung im 1998er Haushalt bereits Kürzungen von 18,5 Prozent vorgenommen hat. Der IWF habe, als er die Auflagen im Dezember verhängte, das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs nicht vorausgesehen. Jetzt würden nicht nur die Steuereinnahmen viel geringer als geplant ausfallen, klagt Tarrin. Darüber hinaus schädigten die geringeren Staatsausgaben die Wirtschaft immer weiter – ein Teufelskreis.

Die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean, so klagte kürzlich der frühere thailändische Außenminister Thanat Khoman bitter, sei „zwar nicht vom Krieg bedroht, aber von der wirtschaftlichen Globalisierung, die von einer Supermacht diktiert wird“. Malaysias Premier Mahathir Mohamad, der in den ersten Wochen der Krise häufig gedroht hatte, er wolle den westlichen Spekulanten das Handwerk legen, hat sich dagegen in letzter Zeit etwas zurückgehalten. Denn jedesmal, wenn er den Mund aufmachte, schlugen panische Händler noch mehr malaysische Aktien und Ringgit los. Die Kurse fielen weiter. Er fühle sich wie ein Mann, der auf ein Folterstreckbett gebunden ist, klagte Mahathir kürzlich: Immer wenn er etwas sage, was „mächtigen Leuten“ mißfällt, werde er weiter auseinandergezogen.

Von den Schimpftiraden des malaysischen Regierungschefs hält der philippinische Wirtschaftsprofessor und Bürgerrechtler Walden Bello wenig: Mahathir versuche nur seine Mitverantwortung für das Finanzdebakel zu verbergen. In Wahrheit habe er sich wie kaum ein anderer Politiker angestrengt, ausländisches Kapital anzulocken, um seine ehrgeizigen Großprojekte zu finanzieren.

Doch die Furcht, durch die erzwungene Liberalisierung von Kapitalmärkten und Handel jeden Schutz gegenüber den mächtigen amerikanischen und europäischen Konzernen zu verlieren, teilt auch der Bürgerrechtler Bello, der in Bangkok das Forschungsinstitut „Focus on the Global South“ leitet: „Die Barrieren, die diese Länder bislang vor der vollen Wucht der Globalisierung geschützt haben, werden fallen“, prophezeit er. „Die Regierungen und Bürger werden die Kontrolle über ihre eigene Wirtschaft verlieren. Das ist es, was die US-Multis schon immer gewollt haben.“

Andere IWF-Kritiker sorgen sich mehr um die Folgen des strengen Sparprogramms, das sich bald als „Nagel zum Sarg“ der asiatischen Patienten erweisen könnte, wie die Bangkoker Nation schreibt. Wenn sich etwa die Bangkoker Regierung an das Rezept des IWF hält und um jeden Preis dafür sorgt, daß der Haushalt 1998 einen Überschuß aufweist, könnten noch mehr Banken zusammenbrechen und auch jene Betriebe, die eigentlich gesund sind, in den Ruin treiben, warnte das Blatt. „Obwohl Thailand sich strikt an die strengen Rezepte des IWF gehalten hat“, kommentierte die Zeitung gestern, „scheint es, daß diese Maßnahmen die wirklichen Probleme nicht angehen.“ Das Vertrauen der Anleger jedenfalls konnten sie nicht gewinnen: Der Baht sinkt weiter, die Kapitalflucht hält an.

Für Walden Bello kommt dies nicht unerwartet: Er hat seit Jahren vor den Folgen der enormen Verschuldung in den südostasiatischen Tigerstaaten gewarnt – als IWF und Weltbank die südostasiatischen Staaten noch mit Lob überschütteten. Tatsächlich haben die sich an das Standardrezept des IWF gehalten, nicht in die privaten Finanzmärkte einzugreifen. Die IWF-Banker waren zufrieden, denn sie schlugen aus Prinzip nur Alarm, wenn sich die Regierungen verschuldeten, wie etwa in Lateinamerika.

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