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Fixerstuben: überfüllt, aber umstritten

Der Hamburger Staatsanwaltschaft sind die vier Fixerstuben ein Dorn im Auge. Sie heißen deshalb „Gesundheitsräume“. Musterprozeß wird vorbereitet. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft zieht dagegen voll mit  ■ Aus Hamburg Elke Spanner

Das erste Ermittlungsopfer war Hamburgs Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel. Die weihte im Februar 1994 den ersten „Gesundheitsraum“ für DrogenkonsumentInnen mit einer Rede ein, deutete zwischen den Zeilen an, daß dort auch konsumiert werden könne und sah sich prompt dem Vorwurf ausgesetzt, als Senatorin gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Das Verfahren wurde eingestellt, nicht jedoch der Streit darüber, ob Fixerstuben legal sind oder nicht. Ein Musterprozeß gegen einen ausgewählten Mitarbeiter soll die Frage klären.

Vier „Gesundheitsräume“ gibt es derzeit in Hamburg. Drei davon betreibt der Verein „Freiraum e.V.“ in Billstedt, Harburg und dem Schanzenviertel. Einen vierten eröffnete der „Jugendhilfe e.V“ im Dezember hinter dem Hauptbahnhof. Die MitarbeiterInnen stehen mit einem Bein im Knast. Denn neben einem Café und dem Spritzentausch bieten die Einrichtungen einen „Gesundheitsraum“: Unter Aufsicht eines Krankenpflegers und hygienischen Bedingungen kann hier gespritzt werden. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht beharrt darauf, daß gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoße, wer in einer solchen Einrichtung arbeite, da er „Gelegenheit zum unbefugten Gebrauch“ von Drogen schaffe.

Die Justizbehörde hingegen hält die Fixerstuben für legal. Der ehemalige Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem hatte ein Rechtsgutachten dazu verfassen lassen, das er im September stolz präsentierte. Darin überführte er den Gesetzgeber eines „technischen Fehlers“. Nicht geklärt sei nämlich, was „unbefugter Gebrauch von Drogen“ sei. Und da der Gebrauch an sich unstreitig nicht strafbar sei, müsse das Verschaffen einer Möglichkeit zum Konsum unter hygienischen Bedingungen erlaubt sein.

In Frankfurt am Main zieht die Staatsanwaltschaft mit. Dort gibt es offiziell Konsumräume. In Hamburg nicht. Hier heißen die Fixerstuben „Gesundheitsräume“. Das ermöglichte es der Staatsanwaltschaft bislang, der Konfrontation mit der duldsameren Justizbehörde auszuweichen – obgleich bei der ersten Mittelbewilligung im Haushalt 1994 explizit Geld für Fixerräume ausgewiesen war. Dennoch will die Staatsanwaltschaft erst jetzt einen „hinreichenden Anfangsverdacht“ dafür hegen, daß im „Fixstern“ im Schanzenviertel womöglich gedrückt wird. Vor drei Wochen leitete sie Ermittlungen ein. Ein erstes Verfahren hatte die Polizei im vergangenen Frühjahr in Gang gesetzt: Als im „drug-mobil“ in Billstedt zwei KonsumentInnen durch Überdosierungen zusammengebrochen waren, kam mit dem Notarztwagen die Polizei. Die nahm die Personalien des anwesenden Mitarbeiters auf und zeigte ihn an.

Zwischen 8.000 und 10.000 Junkies gibt es in der Hansestadt. Die Druckräume sind stets überfüllt. Wartelisten und Wartezeiten bis zu zwei Stunden sind keine Seltenheit. Der Bedarf, weitere Fixerstuben einzurichten, ist zweifellos groß. Neue Aktualität hat der Streit um die Legalität durch die Bildung des rot-grünen Senats bekommen. Im Koalitionsvertrag vereinbarten die Parteien nämlich, über die Stadt verteilt vier neue Druckräume einzurichten. Zudem sollen die Öffnungszeiten der bestehenden ausgeweitet werden.

Politisch sind die Fixerstuben also gewollt. Eine Weisung an die Staatsanwaltschaft erteilte Exjustizsenator Hoffmann-Riem während seiner Amtszeit dennoch nicht. „Das ist nicht möglich, da die Auffassung der Staatsanwaltschaft auch vertretbar ist“, behauptet Justizsprecherin Sabine Westphalen. Auch Hamburgs Generalstaatsanwalt Arno Weinert schreckt mit dem gleichen Argument vor einer Weisung zurück. Er befürwortet Fixerstuben politisch, hält die rechtlichen Grundlagen aber für uneindeutig. So sitzen alle Beteiligten in der Zwickmühle – nicht zuletzt auch die Polizei. Die ist einerseits Ermittlungsbehörde, verweist andererseits Junkies an die Fixerstuben weiter, wenn sie diese beim Konsum auf der Straße antrifft. Licht ins Dunkel soll nun ein Musterprozeß bringen. Ein ausgewählter Mitarbeiter eines Gesundheitsraumes soll bis vor den Bundesgerichtshof verklagt werden. Falls der die Gesundheitsräume verbiete, sei das „ein Fall fürs Verfassungsgericht“, hatte Exjustizsenator Hoffmann-Riem während seiner Amtszeit angekündigt. Er handelte mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aus: Solange der Prozeß läuft, erstattet die Polizei zwar weiterhin Strafanzeigen gegen MitarbeiterInnen von Gesundheitsräumen. Die Staatsanwaltschaft nimmt die Vorermittlungen aber nur pro forma auf und läßt sie bis zur gerichtlichen Entscheidung ruhen. Unklar ist jedoch nach wie vor, gegen wen geklagt wird und wer die Kosten des Verfahrens tragen soll. Norbert Dworsky, Geschäftsführer von „Freiraum e.V.“ und Betreiber von drei Fixerstuben, würde sich als Angeklagter zur Vefügung stellen, um nicht seine MitarbeiterInnen „zu opfern“. Bezahlen könne sein Verein den Prozeß aber nicht. „Wir leben von den Zuwendungen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die muß zahlen.“ Horst Bossong, Drogenbeauftragter des Senats, soll jedoch angedeutet haben, daß die Sozial- und Gesundheitsbehörde die Kosten nicht tragen werde, und auch aus der Justizbehörde kam bislang kein entsprechendes Signal. Und das, obwohl SPD-Parteichef Jörg Kuhbier nach Abschluß des Koalitionsvertrages generös ankündigte, der Senat werde die „armen Schweine“, die in den Druckräumen arbeiten, nicht im Stich lassen: „Die politische Verantwortung liegt beim Senat.“

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