piwik no script img

Eine Karriere unter höchster Protektion

Der heute 87jährige Maurice Papon, ehemaliger Polizeipräfekt von Paris, war Ende der siebziger Jahre gaullistischer Haushaltsminister unter Präsident Valéry Giscard d'Estaing. Er soll während der Nazizeit als Generalsekretär des damaligen Präfekten von Bordeaux für die Deportation von mindestens 1.500 Juden, darunter mehr als 200 Kinder, verantwortlich gewesen sein.

Nun muß er sich vor dem Schwurgericht von Bordeaux wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Die Anklage wirft ihm „Beihilfe bei Beschlagnahmungen, illegalen Verhaftungen, Mord und Mordversuch“ vor.

Die zweifelhafte Rolle Papons während des mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Regimes wurde in Frankreich schon 1981 öffentlich. Doch die Ermittlungen gegen den Pensionär zogen sich ganze sechzehn Jahre hin. Der frühere sozialistische Staatspräsident François Mitterrand gab kurz vor seinem Tod zu, „im nationalen Interesse“ die Ermittlungen gegen NS-Kollaborateure gebremst zu haben.

Nach den Prozessen gegen den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, und den früheren Nachrichtenchef der Miliz von Lyon, Paul Touvier, ist das Verfahren gegen Papon wohl der letzte große Kollaborationsprozeß in Frankreich. Das Urteil sollte ursprünglich kurz vor Weihnachten gesprochen werden. Doch das Verfahren vor dem Schwurgericht in Bordeaux verzögert sich, weil es wegen einer Lungenerkrankung des Angeklagten immer wieder unterbrochen werden muß.

Inzwischen wird mit einem Spruch der Geschworenen nicht mehr vor Mitte Februar gerechnet.

Öffentlich wurde während des Prozesses auch Papons Rolle im französischen Kolonialkrieg gegen Algerien, Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre. Am 17. Oktober 1961 ließ Papon als Polizeichef von Paris Hunderte von Algeriern bei einer Demonstration ermorden. kn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen