: Die Entwürfe sind „nicht überzeugend“
Ab Dienstag finden die ersten öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Holocaust-Mahnmal statt. Die KünstlerInnen stellen sich der Kritik an ihren Entwürfen. Auch der zweite Wettbewerb brachte keine Lösung ■ Von Julia Naumann
György Konrád, Präsident der Akademie der Künste, nannte die zur Auswahl stehenden vier Entwürfe für ein Holocaust-Mahnmal unlängst „gnadenlosen oder didaktischen Kitsch“, der an Blasphemie grenze. Konstruktionen, die dazu dienten, dem Menschen Angst und Schrecken einzujagen wie in einer Gespensterbahn, gehörten in einen Lunapark. Der Publizist Hendryk M. Broder kritisierte, daß die Nachkommen der Täter nicht darüber bestimmen könnten, welche NS-Opfer ein Denkmal verdienten und welche nicht.
In der engeren Auswahl sind vier Entwürfe: das begehbare Labyrinth von Peter Eisenmann und Richard Serra; die 39 Stahlmasten von Jochen Gerz; die freie Fläche mit der durchbrochenen begehbaren Mauer von Daniel Libeskind und die 18 Steinblöcke auf einer schiefen Ebene von Gesine Weinmiller. Ab Dienstag werden sich die KünstlerInnen mit ihren Konzeptionen zum geplanten Holocaust-Mahnmal in verschiedenen Diskussionsveranstaltungen der Öffentlichkeit stellen. Heute befaßt sich auch der Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses mit dem Mahnmal.
Kritische Stimmen gibt es nämlich nach dem zweiten Wettbewerb weiterhin viele: Die einen lehnen die neuen Entwürfe ab, die anderen verwerfen sogar das gesamte Konzept, da die künstlerischen Prämissen – Standort, Finanzrahmen und Emotionalität der Aufgabenstellung – nicht geändert worden sind. Außerdem seien Funktion und Zweck des Mahnmales im Vorfeld zu wenig inhaltlich diskutiert worden. Insbesondere WissenschaftlerInnen von Gedenkstätten und Museen halten die Resultate des zweiten Anlaufs deshalb für nicht überzeugend.
So findet Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelsohn-Zentrums in Potsdam und ehemaliger Leiter des Jüdischen Museums in Wien, die Ergebnisse der zweiten Runde zwar insgesamt „besser“, „aber nach wie vor völlig unbefriedigend“. Er plädiert weiterhin dafür, falls ein Mahnmal gebaut wird, dies nicht nur für Juden, sondern für weitere Opfergruppen – zum Beispiel Roma und Sinti und Homosexuelle – errichtet werden solle.
Mahnmal für alle Opfergruppen gefordert
Sonst entstehe eine „Hierarchisierung der Opfer“, befürchtet Julius Schoeps. Er fordert statt der schnellen Errichtung des Mahnmals „eine weitere Phase des Nachdenkens“. Auch kritisiert er die Gruppe der Auslober: „Der Bundestag sollte sich mit einem Mahnmal beschäftigen und die Verantwortung übernehmen, keine private Gruppe.“
Ähnlich kritisch äußert sich ebenfalls Gabriele Camphausen, neue geschäftsführende Direktorin der Topographie des Terrors. Auch sie plädiert dafür, das Holocaust-Mahnmal allen Opfergruppen zu widmen. Besonders wichtig ist es der 40jährigen aber, „Erinnerungen an einen historischen Ort zu wecken“, wie es mit der Gedenkstätte Topographie des Terrors schon geschehe. Camphausen hält die Errichtung eines „künstlich konstruierten“ Mahnmals für nicht sonderlich geeignet.
Der wissenschaftliche Leiter der Topographie, Reinhard Rürup, findet die neuen Entwürfe sehr beeindruckend: „Man sieht am zweiten Durchgang, daß da sehr intensiv gearbeitet wurde.“ Doch: Rürup ist nach wie vor skeptisch, ob einer dieser vier Entwürfe „all das leisten kann, was man sich erhofft hat“, also ein nationales Denkmal an einer zentralen Stelle, was auch von der Bevölkerung angenommen wird.
Norbert Kampe, Leiter der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, ist ebenfalls ambivalent. Kempe war 1983 schon als Jury-Mitglied beim ersten Gestaltungswettbewerb dabei. Damals sollte das Mahnmal noch auf dem Gelände der Topographie des Terrors stehen. Kempe sagt, daß er „seitdem und bis heute seine Vorstellungen häufig revidiert habe“ – und streckenweise auch ganz ratlos war. Er plädiert jetzt jedoch dafür, daß ein „Ort der Verstörung im Zentrum der Hauptstadt reserviert werden müsse, damit auch künftige Generationen zur Auseinandersetzung gezwungen sind“. Da es bereits die Topographie des Terrors als Informationszentrum gebe, müsse ein solches Mahnmal möglichst „abstrakt“ und für „vielfältige Deutungen“ offen sein. Von den favorisierten vier Entwürfen kommen deshalb für Kampe nur die Modelle von Eisenmann/Serra und Libeskind in Frage.
Die Publizistin Stefanie Endlich, die sich in vielen Beiträgen mit Gedenkkultur und Erinnerungsarbeit beschäftigt hat, kritisiert vor allem, daß es trotz eines neuen Wettbewerbes nach wie vor keine „inhaltliche und konzeptionelle Präzisierung von Zweck und Funktionsbestimmung“ eines solchen Denkmals gebe. „Statt dessen sehen wir wiederum einige mehr oder weniger überzeugende künstlerische Annäherungen an das Thema, teils mit bescheidener Grundhaltung wie bei Gesine Weinmiller, teils auftrumpfend und als Selbst-Zitat angelegt wie bei Daniel Libeskind.“ Solche Einzel-Interpretationen, sagt Endlich, die Jury-Mitglied in der ersten Wettbewerbsrunde war, seien bei „kleineren, dezentralen, spezifischen Denkmalsprojekten legitim“. Wenn es aber um ein nationales Denkmal ginge, stellten sich ganz andere Fragen: „Gestaltung kann hier nur der letze Schritt sein“, resümiert die Publizistin. Zuvor seien „gedankliche Schärfe und Kooperationsfähigkeit gefragt“.
Von jüdischer Seite gibt es weiterhin Befürchtungen, daß mit der Errichtung eines nationalen Mahnmals „das Thema in der Öffentlichkeit abgeschlossen wird, ein Schlußstrich gezogen wird“, so der isreaelische Korrespondent Igal Avidan der Zeitung Maariv. „Wir Juden brauchen kein Mahnmal“, ist seine Meinung. Auch der Schriftsteller Rafael Seligmann („Jiddische Mama“, „Mit beschränkter Haftung“) hat seine Meinung nicht geändert: „Ich fühle mich leider bestätigt“, sagt er in bezug auf die neuen Entwürfe. „Das Holocaust-Mahnmal ist überflüssig wie ein Kropf.“ Es gebe genügend Originalschauplätze nicht nur des jüdischen Leidens, sondern auch des jüdischen Lebens, die gewürdigt werden könnten. Es sollte endlich akzeptiert werden, daß Künstler, Politik und Gesellschaft nicht fähig seien, einen „konsensfähigen Entwurf“ zu liefern.
Die Diskussionsveranstaltungen:
am 13.1.: mit Peter Eisenmann und Richard Serra;
am 16.1.: mit Jochen Gerz
am 19.1.: mit Daniel Libeskind
am 23.1.: mit Gesine Weinmiller
Am 20.1. ist eine Veranstaltung mit Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) vorgesehen.
Am 26.1. findet eine Podiumsdiskussion mit Kultursenator Peter Radunski (CDU) und der Vorsitzenden des Förderkreises zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, statt.
Alle Veranstaltungen beginnen um 19 Uhr, in der Galerie im Marstall, Schloßplatz 7 in Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen