: Beamte im Einsatz für das Kapital
Sachsen-Anhalt hat eine Task Force aus Ex-Treuhand-Mitarbeitern eingerichtet, die vom Konkurs bedrohte Unternehmen rettet. Der Erfolg gibt ihnen recht ■ Von Gunnar Leue
Berlin (taz) – Als das DDR- Kombinat für Getränkebaumaschinen Nagema von der Treuhand an ein holländisches Familienunternehmen für Geflügelschlachtanlagen verkauft wurde, begann alsbald die Fledderei. Trotz Fördermitteln und guter Auftragslage geriet ein Betrieb des Kombinats nach dem anderen in die Bredouille. Auch der in Magdeburg, wo nie Geld aus den verkauften Abfüllmaschinen ankam. So blieb im Sommer 1996 nur die Gesamtvollstreckung (Konkurs).
Das Ende des Unternehmens schien besiegelt, doch es folgte die Auferstehung aus Ruinen. In ihrer Not hatte es sich an eine Truppe gewandt, von der in Sachsen-Anhalt Wunderdinge erzählt wurden – die „Task Force“. Diese beim Landeswirtschaftsministerium angesiedelte schnelle Eingreiftruppe leistet seit zwei Jahren dem Pleitetod nahen Betrieben Erste Hilfe. Rettung erhofften sich die Hilfesuchenden ausgerechnet von ehemaligen Treuhand-Mitarbeitern. Von den fünf Mitgliedern der Task Force waren vier aus diversen ostdeutschen Treuhand-Niederlassungen geholt worden, nur aus Sachsen-Anhalt bewußt niemand.
Mit dabei ist Klaus-Dieter Theise, der sich um die Getränkemaschinenbauer kümmerte und einst als Controller bei der Rostocker Treuhand arbeitete. Daß er sich heute oft mit fehlgeschlagenen Privatisierungen befassen und mit der Treuhand-Nachfolgerin BvS nachverhandeln muß, bringt ihn keineswegs in Zwiespalt: „Schließlich habe ich mir nichts zu schulden kommen lassen.“ Theise kann Vorbehalte gegenüber seinem Frontenwechsel zwar verstehen, ist aber überzeugt: „Wenn das Land uns nicht genommen hätte, wäre es der BvS in den Verhandlungen hoffnungslos unterlegen gewesen.“ Sein Insider-Wissen habe ihm in jedem Treuhand-Fall geholfen.
Weil es Sachsen-Anhalt (Spitzenreiter bei Nachverhandlungen mit der BvS) an SOS-Kandidaten nicht mangelt, sind die Katastrophenhelfer im Dauerstreß. Beim Getränkemaschinenbauer checkte Theise zunächst mit den neuen Gesellschaftern – drei ehemalige Nagema-Manager, die mit 200.000 Mark Eigenkapital das neue Unternehmen Brauerei- und Kellereimaschinen GmbH (BKM) gegründet hatten – deren Sanierungskonzept und nahm dann die Gesamtfinanzierung in Angriff. Die Task Force half bei der schwierigen Suche nach einer Hausbank und vor allem, daß aus einem der Landesfördertöpfe eine Konsolidierungsbeteiligung sowie eine Landesbürgschaft für das Bankdarlehen gewährt wurde. Zuvor hatte sie schon den Grundstücksfonds des Landes, der Gebäude und Anlagen aus der Konkursmasse gekauft und an BKM verpachtete, eingeschaltet, um eine schnelle Wiederaufnahme der Produktion zu ermöglichen. Die Zahl der Beschäftigten stieg mit dem Neubeginn von 12 auf 45. „Ohne die Task Force“, sagt BKM-Geschäftsführer und Gesellschafter Walter Rust, „wäre der Ofen aus gewesen.“
Ähnlich ging es zur selben Zeit einem seiner Kunden. Die Weißenfelser „Felsbräu“-Brauerei war nach der Übernahme durch die Alteigentümer in die Pleite gewirtschaftet worden. Durch die in wenigen Monaten abgeschlossene Neuprivatisierung konnten alle 23 Arbeitsplätze gerettet werden. „Die Task-Force-Leute“, sagt der neue Geschäftsführer Christoph Aisch, „haben unser Sanierungskonzept geprüft und nichts verschenkt. Der von ihnen vermittelte Landeskredit ist ordentlich verzinst.“ Bei einer Bank hätte Felsbräu keinen Kredit bekommen.
Den schnellstmöglichen Weg zu einer Finanzierung des Sanierungskonzepts zu weisen, ist das eigentlich Lukrative an der Task Force. Sie kann zwar kein Geld vergeben, kennt aber die staatlichen Förderprogramme. Davon profitierten 85 Prozent der 538 Unternehmen mit 38.000 Beschäftigten, die ihre letzte Hoffnung bei der Task Force sahen. Derzeit betreut sie 117 Unternehmen.
Der Bund deutscher Unternehmensberater sieht allerdings „ein gewisses Problem“ in der Wettbewerbsverzerrung durch die verbeamteten Berater, die jedoch durchaus mit den freien Beratern kooperieren. Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) ist skeptisch. Denn gerade bei regional bedeutsamen Betrieben werde versucht, aus der Gesamtvollstreckung einen überlebensfähigen Kern zu erhalten. Joachim Ragnitz vom IWH schließt daher politische Gründe für die Rettung von „am Markt durchgefallenen Unternehmen“ nicht aus. „Gefährlich“ sei, daß die Task Force zu stark vom Staat gelenkt werde. Viel „sympathischer“ sind Ragnitz die Runden Tische der Deutschen Ausgleichsbank, wo ebenfalls notleidende Unternehmer mit Banken, Arbeitsämtern und Handwerkskammern zusammengeführt würden.
„Beschäftigungssicherung um jeden Preis oder politischen Druck gibt es nicht“, betont Andreas Schaper, im Wirtschaftsministerium zuständig für die Task Force. „Die betriebswirtschaftliche Rechnung hat immer Priorität.“ Wo überholte Strukturen existierten, werde man sich „den Notwendigkeiten des Marktes keineswegs verschließen“. Das werde leider schon bald eine Pleitewelle in der von Überkapazitäten geplagten Baubranche beweisen: „Wir werden nur überlebensfähige Betriebe unterstützen.“
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