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Die Beamten bangen um ihren Status. Die Bundesregierung will sie erstmalig zu einem Beitrag zur eigenen Altersversorgung verdonnern. Auf ihrer Jahrestagung verteidigte der Beamtenbund die einzigartigen Privilegien der Staatsdiener Aus Bad Kissingen Christian Füller

Beamte wollen keinen Diener machen

Wenn's ums Ganze geht, werden die Drohungen maßlos. „Als Vertreter einer großen und wichtigen Gruppe in der Gesellschaft“, hob der Vorsitzende des Beamtenbunds, Erhard Geyer, machtvoll an, „sage ich an die Adresse der Politik: So geht es auf keinen Fall weiter.“ Was der Vorsitzende von 1,7 Millionen Beamten beim alljährlichem Treffen der Zunft gestern in Bad Kissingen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) vorhielt, paßte so gar nicht zu den Blümchentapeten im Tagungshotel Frankenland. Die Beamten seien es satt, betonte Geyer mit der ganzen notorischen Arroganz der Staatsdiener gegenüber den Politikern, „das ewige Schauspiel einer zunehmend inkompetenten Politik“ vorgeführt zu bekommen. Es müsse Schluß sein mit der politischen Verweigerung. Entscheidungen müßten her.

Die Beamten bangen um ihren Status. Das eigentliche Thema der Kissinger Beamtentagung, den Euro, streifte Beamtenlobbyist Geyer nur. Und auch sein tarifpolitisches Säbelrasseln drei Tage vor Beginn der Verhandlungen über das Gehalt von über fünf Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst galt nur einem Nebenschauplatz. Es geht um das System des Berufsbeamtentums als solches. In einem Versorgungsreformgesetz will die Bundesregierung die Staatsdiener erstmalig ganz offen an deren Altersversogung beteiligen. Der Betrag ist mit 20 Mark monatlich für einen Ministerialrat, der knapp 10.000 Mark verdient, zwar minimal (siehe Beitrag nebenan). Aber, so Geyer, „das ist ein tiefer Eingriff in die Struktur der Altersversorgung“.

Das Problem ist seit ein paar Jahren bekannt. Die offensive Einstellungspolitik von Lehrern und Polizisten in den sechziger und siebziger Jahren ließ den Beamtenapparat merklich anwachsen. Um 365 Prozent vermehrte sich der öffentliche Dienst in den Zeiten der Prosperität zwischen 1970 und 1993. Was damals gesellschaftlich gewollt und sinnvoll war, droht aber nun wegen des Systems der Beamtenversorgung dem Staat den Knock out zu versetzen. Die Pensionslasten sind, wenn es so weitergeht, ab 2020 wohl nur noch über Kredite zu finanzieren.

Der Grund ist der, daß die Beamtenversorgung ganz anders geregelt ist als die normale Rentenversicherung: Beamte zahlen nicht ein. Der Staat übernimmt ihre Pensionen. Was zu Zeiten der Monarchie seinen Sinn hatte (Unkündbarkeit und umfassende Alimentation schützte couragierte Beamte vor Fürstenwillkür), ist mit einer modernen Demokratie nicht vereinbar. In den sechziger Jahren mißlang aber die Reform – die hergebrachten Grundsätze blieben im Grundgesetz. Sie verpflichten den Beamten weiter auf den Staat, während in anderen Ländern „civil servants“ der Gesellschaft dienen.

Die versammelten 460 Staatsdiener im Kissinger Frankenlandhotel zeigten, daß sie sich diesem autoritären Kodex weiter verpflichtet fühlen. Ihr oberster Dienstherr, Innenminister Kanther, hielt ihnen die Freundlichkeit der Telefonvermittlung als Beispiel für Veränderung vor. Da setzte bei den freudlosen Männern in ihren dunklen Anzügen ein minutenlanges Murren und Motzen ein. Wohler war ihnen erst nach der Rede Helmut Kohls, der betonte, er sehe „nicht den geringsten Grund“, am Prinzip des Beamtenrechts zu rütteln.

Beim Thema Beamtenversorgung begnügt sich der Beamtenbund nicht mit Moserei. Eine Expertenrunde von vier angesehenen Staatsrechtlern ließ den von Kanther als Emissär vorgeschickten Innenstaatssekretär Eckart Werthebach wie einen Schulbuben abblitzen. Werthebachs Hinweis, die Beamtenschaft dürfe sich angesichts leerer Kassen nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, wurden kühl gekontert: Fiskalische Probleme seien kein verfassungsrechtliches Argument.

„Der Beamte hat ein Anrecht auf seine Pension“, sagte der konservative Bonner Professor Josef Isensee. „Woher der Staat die Mittel schöpft, muß ihn nicht kümmern. Der Dienstherr hat das Geld zu haben.“

Die Staatsrechtler, als Beamte allesamt in eigener Sache sprechend, störten sich an dem Begriff Beitrag. Nach Kanthers Vorschlag müßte jeder Beamte mit 0,2 Prozentpunkten seines Besoldungszuwachses zur Pension beitragen. Beamte, so das Gegenargument, leisten keinen Beitrag. „Und wenn ein Beitrag des Beamten verfassungswidrig ist, dann ist es auch eine Mark“, konstatierte Detlev Merten, Verfassungsrechtler aus Speyer. Die Beamtenbündler selbst drohten mehr oder weniger unverhohlen. Die Regierung werde es sich gewiß noch überlegen, sagte der stellvertretende Vorsitzende Peter Heesen. Und, in Anspielung auf die vielen Beamten, die im Bundestag sitzen: Schließlich müsse der Gesetzgeber ja auch zustimmen.

Manfred Kanther, so hieß es hinter den Kulissen, baue zwar auf eine konsensuale Lösung „im System des Beamtenrechts“. Sei das aber nicht möglich, so habe er die Statur zu einer verfassungsrechtlich sauberen Lösung: der Streichung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus dem Grundgesetz (siehe unten).

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