: Gut gelaunte Börsianer
■ Kurse in Asien erholen sich weiter. Experten warnen aber vor Folgen der Krise
Frankfurt/Berlin (AP/AFP/taz) Die Lage auf den asiatischen Finanzmärkten stabilisierte sich gestern weiter. Angeführt vom malaysischen Ringgit und der indonesischen Rupiah stiegen die Kurse fast aller Währungen in der Region. Die am stärksten von dem Crash am Montag betroffenen Börsen in Hongkong und Singapur verzeichneten Kurssteigerungen von sechs beziehungsweise 7,4 Prozent. Der japanische Nikkei-Index schloß mit einem Plus von 2,5 Prozent. Und auch die europäischen Börsen legten wieder zu. Als Grund für die gute Laune der Anleger werden Äußerungen des IWF-Generaldirektors Michel Camdessus und des stellvertretenden US-Finanzministers Lawrence Summers genannt. Die beiden gehen davon aus, daß die Krise in Asien zu meistern sei und daß die betroffenen Länder notwendige Reformen durchführen würden.
Bloß weil nun zwei Tage in Folge die Kurse wieder steigen würden, sei noch längst kein Grund für Entwarnung, mahnten andere Finanzexperten. Der mächtige Finanzier und Spekulant George Soros sprach von einem möglichen – wenn auch nicht sehr wahrscheinlichen – Flächenbrand. Die Entwicklungen in Asien hätten das Zeug dazu, das Welthandelssystem zu zerstören. Soros forderte, künftig die Kreditvergabe viel stärker zu regulieren.
Die deutsche Industrie gibt sich dagegen weiterhin vollkommen ruhig. Siemens-Chef Heinrich von Pierer sagte gestern zum Beispiel, die Lage in Asien müsse man „mit Gelassenheit“ sehen. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank meinte, es handele sich lediglich um eine Liquiditätskrise. Er sei zuversichtlich, daß die deutschen Banken bald ein Hilfspaket für die asiatischen Krisenstaaten auf den Weg bringen würden.
Die deutsche Exportindustrie müsse sehr wohl mit spürbaren Einbußen rechnen, hielt Heiner Flassbeck vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dagegen. Nicht zuletzt wegen verschlechterter Exportaussichten schätzt das DIW das deutsche Wirtschaftswachstum 1998 auf nur 2,5 Prozent. Der Präsident der Landeszentralbank Sachsen und Thüringen, Olaf Sievert, hält die direkten Auswirkungen der Finanzturbulenzen auf deutsche Unternehmen zwar für gering, da nur sechs Prozent der deutschen Ausfuhren in die Krisenregion gehen. Dennoch könnte die Exportwirtschaft Schaden nehmen, wenn in der Folge der Krise die weltweite Konjunktur gedämpft würde.
Daß die Weltkonjunktur leiden dürfte, zeigten die Äußerungen einiger ausländischer Unternehmen. So sprachen die drei großen schwedischen Konzerne Volvo, der Haushaltsgerätehersteller Electrolux und die Telekommunikationsgruppe Ericsson von deutlichen Einbußen im Asiengeschäft. In Japan fürchtet der weltgrößte Stahlproduzent, Nippon Steel, einen Ausfuhrrückgang ins größte Abnehmerland Südkorea um bis zu 80 Prozent. lieb
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