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Skinheadbande mit Pazifistenführer

■ Kampf mit einem Zwölf-Stunden-Monster: Rainer Iwersen inszeniert mit der Shakespeare Company das Historiendrama „König Heinrich VI“. Vor der heutigen Premiere sprach er mit der taz

Wenn ein jeder in seinen Nächsten Schwerter, Messer oder sonstige spitze Gegenstände stopft, ist zum Schluß keiner mehr lebendig. Rainer Iwersen verspricht, daß seine Inszenierung des William Shakespeare-Dramas mit der todsicheren Unterbringung aller Waffen ausklingt. Ein Massaker, trotz der kleinen Besetzung von fünf Personen ein wüstes noch dazu, wird „König Heinrich VI“beenden. Und das, obwohl jener Regent aus dem Hause Lancaster nichts mehr verabscheute als Gewalt und Krieg.

Ein radikaler Pazifist auf dem Königsthron, der träumerisch an der Utopie des Friedens hängt und sich dabei wie ein Schlafwandler durch die politische Wirklichkeit des gewaltgetränkten Englands zu Beginn des 15. Jahrhunderts bewegt - diese thematische Konstellation war es, die den Regisseur Iwersen an diesem Frühwerk Shakespeares reizte. Heinrich, von seinem Umfeld verlacht als Weichei und frömmlerischer Idiot, verweigert, angewidert von den Ränkespielen der kriegerischen Adeligenclans derer von York und Lancaster, seine Teilnahme an diesen Machtkämpfen und provoziert gerade dadurch die finalen Massenschlächtereien. „Im Zentrum der Macht sitzt jemand, der sie nicht ausüben und um jeden Preis ein guter Mensch sein will“, sagt Iwersen, „und gerade diese Haltung macht ihn zum Ärgernis für die militaristisch gesonnene Umwelt und schließlich zum Totengräber einer im Bürgerkrieg versinkenden, orientierungslosen Nation.“

Iwersens Interesse an Shakespeares Historiendrama stammt aus der Zeit zu Beginn der 90er Jahre „als sich der Balkankrieg seinen ersten traurigen Höhepunkten näherte.“Die strukturellen Parallelen in den machtpolitischen Konstellationen zwischen jener Renaissancegesellschaft und dem Yugoslawienkonflikt sind für Iwersen unübersehbar. „Aber ich möchte die Inszenierung nicht zeitgeschichtlich angebunden wissen. Die Konstellation 'Skinheadbande mit Pazifistenführer' ist ein grundsätzliches Problem der Politik. Das funktioniert nämlich nie.“

Daß die Figur des Heinrich VI so im Mittelpunkt des Dramas steht, ist vor allem das Resultat der Iwersenschen Textauswahl. In Shakespeares dreibändiger Vorlage, entstanden zwischen 1590 und 1592, ist Heinrich eher eine Randfigur. Nicht einmal ein Drittel des Textes hat Iwersen übersetzt, aus dem ersten Band flossen beispielsweise nur zwei Szenen in seine Bearbeitung. Geblieben sind am Ende von zwölf „nur“drei Stunden Spieldauer und anstelle einer Vielzahl von Rollen und Handlungssträngen infolge der Kürzungen und Komprimierungen mit Heinrich ein neu geschaffener Protagonist und eine klare thematische Festlegung, die sich vom stark historistischen Charakter des Ausgangsstoffes weit entfernt hat.

Ist radikaler Pazifismus lächerlich oder gar mitschuldig an Bürgerkriegen? Ist der Kampf um die Macht notwendig oder Ausdruck eitlen, geltungssüchtigen Männergebarens? Die Schnittfläche dieser Fragekomplexe sieht Iwersen im Bühnenbild verkörpert. Ein großes Karussel, dem Rad der Fortuna nachempfunden, steht im Zentrum der Bühne und ist die Spielfläche der ebenso infantilen wie blutigen Kämpfe um die Herrschaft. „Bitte schreiben Sie, daß die hauseigenen Techniker eine großartige Arbeit mit dem Aufbau des Karussels geleistet haben.“Was hiermit geschehen ist. Ob man über Iwersen und die fünf SchauspielerInnen ähnliches sagen kann, lesen Sie am Montag in der taz. zott

Premiere: heute abend um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz

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