: Zutritt nur mit Krawatte
20 Jahre Spielbank Hamburg: Gelockerte Kleiderordnung, um mehr BesucherInnen anzuziehen. Bald Roulette im Internet ■ Von Miguel Hoeltje
„Die Zeit der Paradiesvögel, die hier ein Vermögen verprassen, ist lange vorbei“, stellt der Chef der Hamburger Spielbank am Fonte-nay, Wilfried Achterfeld, zum 20jährigen Jubiläum seines Hauses fest. „Wir leben heute von der Masse der Gäste.“Und die zieht es immer mehr zum automatisierten Glücksspiel, wie es die Spielbank Hamburg auch in ihren Dependancen an Reeperbahn und Steindamm anbietet. Das sogenannte „große Spiel“, also das stilechte Jetons-Setzen an filzgrünen Roulette- und Baccara-Tischen liegt mit rund 30 Prozent der Gesamt-Einnahmen deutlich hinter dem Umsatz der einarmigen Kollegen.
Das Flair vergangener Zeiten scheint zu schwinden. Das liegt aber nicht nur an der mittlerweile deutlich gelockerten Kleiderordnung – ein Jeans-Verbot bestehe zwar noch, doch „das nehmen wir nicht mehr so genau“, augenzwinkert Spielbank-Sprechrerin Gunda Windberg. Der Glamour schwindet vor allem deswegen, weil immer weniger wirklich edle Spieler kommen, die im Smoking den Höchsteinsatz von 21.000 Mark setzen. Die Leute haben eben, konjunkturell bedingt, weniger Geld. Das bekommen auch die Croupiers zu spüren: die Trinkgelder im sogenannten „Tronc“, aus dem die Croupiers entlohnt werden, schrumpfen. Die Zeiten, als sie bis zu 10.000 Mark monatlich aus der Sparbüchse unter dem Roulettetisch, einnahmen, sind dahin.
Es ist nicht nur die Konjunktur, die ausschweifendes Spiel verhindert, es ist auch der gewachsene Konkurrenzdruck. Als die Spielbank 1978 eröffnete, gab es bundesweit 22 Casinos, davon eins im nahen Hittfeld und im traditionsreichen Travemünde. Heute gibt es 50 Casinos in Deutschland.
Auf der Suche nach neuen Einnahmen möchte die Spielbank nun neue Wege gehen. Beispielsweise ins Internet, welches Achterfeld schwärmerisch und schlicht „die Zukunft“nennt. Eine Projektgruppe entwickelt derzeit ein „virtuelles Roulette“. Via World Wide Web wird eine Live-Kamera Bilder von Roulette-Tisch und Croupier auf den heimischen Bildschirm zaubern. Per Mouse-Click kann man dann virtuelle Jetons aus einem realen Geld-Depot setzen, bis einem ein digitalisiertes „Rien ne va plus“sagt, daß nichts mehr geht.
Der Spielsucht soll allerdings auch hier nur fröhnen können, wer die nötigen Mittel besitzt. Noch wird an einem Sicherheitskonzept gearbeitet, das es beispielsweise erlaubt, die Daten der bundesweiten Sperrkartei der Spielbanken auch im Netz zu nutzen. Rund 22.000 Menschen sind hier erfaßt, denen meist aus finanziellen Gründen der Zugang zu Casinos verweigert wird.
„Der Großteil davon hat sich freiwillig sperren lassen – sozusagen als Selbstschutz“, sagt Achterfeld. Dieser Selbstschutz geht soweit, daß der Betroffene sich nicht mal eben wieder freischalten kann, wenn er denn doch plötzlichen Spieldrang verspürt. Dazu bedarf es eines schriftlichen Antrags.
Tag der offenen Tür am Samstag, 24. Januar ab 15 Uhr. Zur Begrüßung gibt's Prosecco und einen 10-Mark-Jeton. Alle Spielarten werden erklärt und können anschließend mit dem Einsatz wertfreier Jetons ausprobiert werden. Achtung: Auch am Tag der offenen Tür gilt die Kleiderordnung und das Mindestalter von 18 Jahren.
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