: Brandenburgische Majestätsbeleidigung
Weil sie Landesfürst Stolpe kritisiert hatte, wurde die Geschäftsführerin der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg von ihrem Vorsitzenden Markus Meckel abgestraft. Nun warf Meckel selbst das Handtuch ■ Von Vera Gaserow
Mit einer feierlichen Preisverleihung hatte alles begonnen, am Ende bezichtigte man sich der „Arschkriecherei“, und einer packte seine Tasche und ging: Markus Meckel, letzter Außenminister der DDR und SPD-Bundestagsabgeordneter, hat am Wochenende den Vorsitz der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg niedergelegt und seinen Austritt aus dem vor sechs Jahren von ihm gegründeten Verein verkündet.
Meckel und mit ihm drei weitere Vorstandskollegen kamen mit ihrem Austritt einem Mißtrauensvotum der Mitglieder zuvor. Hinter dem Eklat liegt ein monatelanger peinlicher Streit, der zu einem brandenburgischen Sittengemälde Stolpescher Landesherrlichkeit geriet.
Am Anfang, wie gesagt, gab es etwas zu feiern. Im Juni letzten Jahres wurde dem deutsch-polnischen Journalistenclub „Unter Stereo-Typen“ der angesehene Deutsch-Polnische Preis verliehen, den die Regierungen Deutschlands und Polens vergeben. Eine Ehrung auch für die Deutsch-Polnische Gesellschaft Brandenburg, unter deren Dach der agile, grenzübergreifende Journalistenclub seine Meriten erwarb. Außenminister Kinkel saß in der ersten Reihe, neben ihm sein polnischer Amtskollege, als die Geschäftsführerin der Gesellschaft, Ruth Henning, den Preis dankend entgegennahm. Nur einer machte eine säuerliche Miene. Ministerpräsident Manfred Stolpe war sichtlich verärgert über einen Satz der Dankesrede. Nicht ohne ironische Spitze hatte Henning erwähnt, daß Brandenburg, das die Verständigung mit dem polnischen Nachbarn sogar zum Verfassungsziel erhoben hat, sich erst „vorvorgestern“ zu einer gesicherten finanziellen Unterstützung der Gesellschaft durchgerungen hatte. Nach jahrelanger Zurückhaltung kam zwei Tage vor der Preisverleihung die Finanzzusage.
Das zu erwähnen kam offenbar einer Stolpeschen Majestätsbeleidigung gleich, und Markus Meckel leistete umgehend schriftlich Abbitte beim Landesfürsten. Geschäftsführerin Henning habe die Landesregierung „regelrecht öffentlich vorgeführt, statt unseren Dank in angemessener Weise zu formulieren“. Dafür entschuldige man sich in aller Form. Dabei blieb es nicht. Wenig später wurde Geschäftsführerin Henning, die jahrelang als einzige Kraft – teils ehrenamtlich, teils hauptberuflich – die Arbeit der Gesellschaft angeschoben und koordiniert hatte, entlassen. Als „hochqualifiziert“ hatte auch Meckel ihre Arbeit gelobt, doch mit ihrer unbotmäßigen Rede habe sie „für alle sichtbar die Landesregierung desavouiert. Man kann keine schmutzige Wäsche vor zwei Außenministern waschen.“ Als Henning dann auch noch sein Entschuldigungsschreiben an Stolpe kursieren ließ und sich gegen die Bloßstellung durch den eigenen Vorsitzenden zur Wehr setzte, war das Vertrauensverhältnis endgültig gestört.
Doch im Lande der Verbeugung vor Autoritäten hatte man offenbar nicht mit dem Fußvolk gerechnet. Monatelang gärte es in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, harsche Briefe gegen den Rausschmiß der Geschäftsführerin wurden geschrieben, drei der sieben Vorstandsmitglieder legten unter Protest ihr Amt nieder, und schließlich wurde für Samstag eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Haupttagesordnungspunkt: Mißtrauensantrag gegen den Vorstand wegen „vereinsschädigenden Verhaltens“. Doch zu der Abstimmung darüber kam es nicht mehr. Nach dreistündiger Kontroverse – dabei fiel das böse Wort von der „Arschkriecherei“ gegenüber Stolpe – und taktischen Winkelzügen warfen Meckel und seine Kollegen das Handtuch. Das Abstimmungsverhalten hatte ihnen signalisiert, daß ihre Abwahl kaum noch zu verhindern wäre. Nächste Woche wird Meckel vielleicht mehr Glück haben. Da stellt er sich zur Wiederwahl als Vorsitzender des Bundesverbands der rund 30 Deutsch-Polnischen Gesellschaften, dessen Mitglied auch die brandenburgische Gesellschaft ist.
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