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AnalyseBonjour linke Vielfalt

■ Frankreichs linke Koalitionspartner entdecken ihr politisches Profil wieder

Sieben Monate lang war schwer zu erkennen, was die rot- rosa-grüne Regierung in Paris von ihrer Vorgängerin unterschied. Sie blieb in den bekannten liberalen Europfaden, sie schlug arbeitsmarktpolitisch Reformen in der Tradition von staatlichen Subventionen für Arbeitgeber und unsicheren Jobs für Arbeitslose vor, und sie verabschiedete ein Immigrationsgesetz, das dem alten Prinzip von Verdacht und Mißtrauen gegen Ausländer folgt. Die zuvor großen programmatischen Unterschiede der Koalitionäre schienen wie von der Erdoberfläche verschwunden. Aufgelöst, zugunsten einer sozialdemokratischen Realpolitik.

Seit einigen Tagen hat sich das geändert. Plötzlich scheint ein Hauch der Wahlkampfversprechungen von Sozialisten, Kommunisten, Grünen und Bürgerbewegten durch. Plötzlich ist die „linke Vielfalt“, von der in den Vormonaten nur die (stets schwärmerische) Rede war, sicht- und spürbar. Sie zeichnet sich just in den Politikbereichen ab, wo die Schwerpunkte dieser Regierung liegen: bei der Arbeitsmarkt- und bei der Europapolitik.

Ausgelöst haben diese linke Dynamik nicht etwa die Regierungsparteien, sondern die Basis. Die Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, die seit über einem Monat mit ihren Forderungen nach Anhebung der Mindestleistungen auf die Straße gehen und die das politische Establishment zunehmend vor sich hertreiben. Seit diesem Sonntag ist mit der großen Pariser Demonstration gegen den Euro und für ein Referendum noch eine zweite Komponente linker Vielfalt dazugekommen. Letzteres hat um so mehr Gewicht, als der französische Verfassungsrat Ende Dezember seinerseits den Weg für ein mögliches Europareferendum eröffnet hat.

Der Widerstand gegen die Linie Lionel Jospins ist längst Teil der Regierungskoalition geworden. Schließlich wird die Arbeitslosenbewegung von Anfang an von Grünen (eine Ministerin) und Kommunisten (drei Minister) unterstützt. Und der Euro-Protest der KPF wird seit Sonntag auch von der Bürgerbewegung (ein Minister) mitgetragen.

Die Schonzeit des Lionel Jospin ist eindeutig vorüber. Seine Mobilisierung eines Nothilfeprogramms für Arbeitslose, die voraussichtliche Berufung einer Vermittlerin, die Einrichtung eines Staatssekretariats für Städtefragen und die Aufrufe zur Regierungsdisziplin haben nicht gefruchtet. Jetzt muß er weitere Schritte tun. Welche, das will er jetzt im französischen Parlament und im Fernsehen kundtun. Die immer noch große Stärke des angeschlagenen Premierministers liegt dabei vor allem in der Schwäche der Opposition. Die Konservativen, die auch nichts gegen die Zunahme der Arbeitslosigkeit ausrichten konnten, verhalten sich seit Beginn der Protestbewegung mucksmäuschenstill. Dorothea Hahn

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