: Fragen Sie Frau Carola: Fenchelprobleme Von Carola Rönneburg
Manchmal muß sich eine Kummerkastentante auch mit scheinbar profanen Problemen beschäftigen. „Liebe Frau Carola“, schreibt mir Frau M. aus H., „warum ist Herr G. überfordert, wenn ich ihn bitte, den Einkauf zu erledigen und in diesem Zusammenhang erwähne, er möge einen Fenchel mitbringen? Das Einkaufen macht ihm sonst nichts aus. Er trägt freiwillig alle Tüten.“
Ja, warum sträubt sich Herr G. hier? Ruft der Fenchel eine unangenehme Erinnerung wach? Mußte er als Kind Fencheltee trinken, verabreicht durch eine gestrenge Großtante? Verbindet er unterbewußt „Fenchel“ mit dem Untergang seines Lieblingsfußballvereins im Jahre 1983, eines FC – F wie Fenchel, C wie zerschmetternde Niederlage? Ganz so ist es nicht.
„Liebe Frau M.“, antworte ich, „Herr G. weiß einfach nicht, was Fenchel ist. Natürlich werden Sie jetzt denken: Aber wieso, das haben wir doch schon ganz oft eingekauft? Bloß, Frau M., Herr G. hat das nie realisiert. Er stand einfach neben Ihnen, wenn sie einen Fenchel verlangten oder in ihrer Tasche versenkten. Herr G. hat sich nie gemerkt, wie ein Fenchel aussieht. Allenfalls wurde er von Ihnen gebeten, das Gemüse in feine Scheiben zu schneiden. Herr M. erledigt das sicher gern und schnell; so schnell, daß er sich nicht merken kann, wie der Fenchelkörper ursprünglich geformt war. Also besitzt Herr G. keinerlei Erinnerung an den Fenchel an sich. Er müßte im Zuge der Besorgungen – und damit kommen wir zum alles entscheidenden Punkt – den Gemüsehändler nach einem Fenchel fragen. Unterschätzen Sie das nicht: Herr G. ist ein Mann, und Männer fragen nicht gern. Egal, nach was: In einer fremden Stadt verlaufen sie sich lieber so gründlich, daß sie nicht vor drei Tagen an ihren Ausgangspunkt zurückfinden, bevor sie jemanden nach dem Weg fragen.
Mehr noch: Herr G. könnte, stünde er erst von Angesicht zu Angesicht mit dem Gemüsehändler, eine wichtige Silbe des gefragten Nahrungsmittels vergessen haben und sich unendlich blamieren, verlangte er „...öh... Fänndingens“ oder „so einen Chell“. Kein Herr G. macht so etwas gern mit.
Es ist daher für einen Herrn G. unerläßlich, mit dem Einkauf vertraut zu sein. Sie können das sehr dezent und wirksam mit ihm üben. „Packst du schon mal die Mohrrüben ein?“ können Sie zum Beispiel fragen. Ein Herr G. wird zunächst verwirrt nach dem Salat greifen, aber schon wenige Wochen später gelingt die Übung. Versuchen Sie es auch einmal mit den Worten „Dieser Fenchel sieht gar nicht aus. Er hat schon eine braune Stelle.“ Führen Sie Herrn G. langsam an die Kunst des Fenchelerkennens heran. Schon bald, das kann ich Ihnen versichern, wird Herr G. der größte Fenchelexperte weit und breit sein und Sie durch die halbe Stadt schleifen, weil nur dort, wo er jetzt hingehen will, überhaupt anständiger Fenchel zu erhalten sei.
Dann schicken Sie ihn nach Shiitake-Pilzen aus. Die kennt er auch nicht.“
Wie gesagt, manchmal muß ich viele Worte um eine einfache Sache machen. Manchmal aber auch nicht. „Wäre es nicht besser“, fragt Herr G. aus H., „wenn alle Geschäfte ihre Waren in alpabetischer Ordnung anböten?“
„Lieber Herr G.! Ja!“
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