: Neuer Mord in Belfast
■ Täter werden im Lager radikaler Unionisten vermutet. Friedensgespräche auf der Kippe
Dublin (taz) – Der 51jährige katholische Taxifahrer Larry Brennan ist das achte Opfer im Nordirlandkonflikt seit Weihnachten. Er wurde am Montag abend vor einem Belfaster Taxibüro von einem maskierten Täter durch vier Schüsse getötet. Einer politischen Organisation gehörte er nicht an.
Nachdem am Morgen der Geschäftsmann Jim Guiney, der Verbindungen zur loyalistischen Ulster Defence Association hatte, von der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) ermordet worden war, mußte mit einem Racheakt gerechnet werden. Taxifahrer sind in Belfast besonders gefährdet: Da viele Firmen nur in bestimmten Wohnvierteln operieren, ist die Religionszugehörigkeit der Fahrer ein offenes Geheimnis.
Seine Schwester rief gestern dazu auf, den Namen ihres Bruders nicht durch einen weiteren Rachemord zu mißbrauchen. „In sechs Monaten erinnern sich nur noch seine Angehörigen und seine Freunde an seinen Namen“, sagte sie. „Dann ist er nur noch ein Punkt auf einer politischen Mordliste. Wir wollen nicht, daß eine weitere Familie durchmachen muß, was wir jetzt durchmachen.“
Ob ihre Worte Gehör finden, muß bezweifelt werden. Die britische Nordirlandministerin Marjorie Mowlam hofft auf eine Jetzt- erst-recht-Stimmung am Runden Tisch, damit die Friedensverhandlungen vom Fleck kommen. Das Gespräch zwischen Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams und dem britischen Premierminister Tony Blair verlief am Montag ergebnislos. Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, lehnt das anglo-irische Diskussionspapier als Grundlage für die Verhandlungen ab, weil es zu pro-unionistisch sei. Sinn Féin wird jedoch bei den Verhandlungen bleiben. „Wir haben immer betont, daß es nicht einfach sein wird, die britische Regierung dazu zu bewegen, sich ihrer historischen Verantwortung zu stellen“, sagte Adams. „Wahrscheinlich geht das nicht bei einem einzigen Treffen.“
Blair hat für die kommenden Tage eine Reihe von Einzelgesprächen mit dem irischen Premierminister Bertie Ahern und dem Unionisten-Chef David Trimble anberaumt. Trimble forderte gestern den nordirischen Polizeichef Ronnie Flanagan auf, die Karten auf den Tisch zu legen. Falls es Hinweise darauf gebe, daß „bestimmte Organisationen“ an dem jüngsten Mord beteiligt waren, dürfe er sie nicht aus politischen Gründen zurückhalten.
Offenbar geht die Tat erneut auf das Konto der UDA, die einen Waffenstillstand erklärt hat. Sollten Beweise dafür auftauchen, müßte ihr politischer Flügel UDP den Runden Tisch verlassen. Der Vize-Vorsitzende der katholischen Sozialdemokraten, Seamus Mallon, warnte vor diesem Schritt: „Falls eine Partei ausgeschlossen werden sollte, wäre der Friedensprozeß praktisch zu Ende.“
Für Furore in Nordirland sorgten in den vergangenen Tagen auch die Memoiren des früheren US-Botschafters in London, Raymond Seitz. Er bezeichnet darin seine Kollegin in Dublin, Jean Kennedy Smith, als „glühende IRA-Verehrerin“. Er beschuldigt sie, geheime US-Dokumente an die IRA weitergeleitet zu haben. Kennedy Smith wies die Anschuldigungen zurück. Offenbar gehe es Seitz darum, sein Buch unter die Leute zu bringen. Ralf Sotscheck
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