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Bonn plant Schutz vor Psychokursen

■ Gesetzentwurf des Bundesrates will den Verbraucherschutz in der Lebenshilfe durchsetzen. Kurse sollen transparenter werden

Berlin (taz) – Eine große Koalition aus CDU und SPD will den Schutz vor manipulativen Psychotechniken und Sekten stärken. Der Inhalt von Lebenshilfekursen soll transparenter werden. Teilnehmer sollen auch nach Beginn noch von den Kursen zurücktreten können. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Landes Hamburg hat den Bundesrat schon passiert, eine Bund-Länder-Kommission hat einen ähnlichen Entwurf vorgelegt. Während die großen Parteien dringend den Verbraucherschutz in der Lebenshilfe durchsetzen wollen, sehen Kritiker die Gefahr eines versteckten Religionsgesetzes, das Staat und Amtskirchen gegenüber kleineren Glaubensgemeinschaften privilegiert. So werden evangelische und katholische Kirche genauso wie die Volkshochschule vom Gesetz ausgenommen, nicht aber private Anbieter von Yoga- oder Tai-Chi-Kursen. Wie muslimische oder buddhistische Glaubensgemeinschaften eingeordnet werden, ist noch unklar.

Ziel des Entwurfs ist eine größere Transparenz auf dem Esoterikmarkt. Für Lebenshilfekurse soll ein schriftlicher Vertrag notwendig sein, der die Methoden, die Dauer und die Kosten genau auflistet. „So soll der Verschleierung überhöhter oder sogar wucherischer Preise vorgebeugt werden“, heißt es im Hamburger Entwurf. Oft würden Hilfesuchende erst am Ende eines Kurses informiert, daß ein teurer Folgekurs angeblich notwendig sei. Nicht selten seien Verbindungen zwischen einem Lebenshilfekurs und einer Sekte von außen nicht erkennbar. Ziel und Anbieter eines Kurses soll jetzt der Vertrag benennen.

Auch ein Widerrufsrecht binnen 14 Tagen nach Vertragsabschluß und ein Rücktrittsrecht nach Kursbeginn sind im Gespräch. Die „Beweislastumkehr“ scheint aber inzwischen vom Tisch zu sein. Eine Durchsetzung hätte die rechtlichen Möglichkeiten der Kursanbieter stark geschwächt: Kursteilnehmer hätten ohne weitere Beweise behaupten können, psychische oder psychosomatische Schäden seien das Resultat eines Lebenshilfekurses. Solange er nicht das Gegenteil beweisen kann, hätte der Anbieter haften müssen. Die Anbieter fürchten jetzt die Zerstörung einer „breiten, pluralistischen Kultur von Sinnfindung und Lebensproblembewältigung“. Planungssicherheit und Kreditwürdigkeit gingen verloren.

Wann genau und in welcher endgültigen Form das Gesetz den Bundestag passieren wird, ist noch völlig unklar. Ronald Pofalla (CDU), Mitglied in der Enquetekommission zu Sekten und Psychogruppen im Bundestag, glaubt, daß bis dahin noch zwei Jahre vergehen könnten. Er sieht noch Diskussionsbedarf zu einzelnen Punkten. Renate Rennebach, die für die SPD in der Enquetekommission sitzt, würde den Gesetzentwurf in der vorliegenden Form verabschieden. „Es gibt eine realistische Chance, daß das noch vor der Bundestagswahl geschieht.“ Angelika Köster-Loßack von den Grünen plädiert für die Selbstkontrolle der Branche. „Mit dem Gesetz werden Staat und Amtskirchen privilegiert.“ Sascha Borrée

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