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Medizinexperimente unter Vorbehalt

Die Bundesregierung will Forschungen mit Komapatienten, Kindern und altersverwirrten Menschen nicht gänzlich ausschließen. Die Ratifizierung der Bioethik-Konvention ist weiterhin offen  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Görlitzer

Medizinische Experimente mit Kindern, Komapatienten und altersverwirrten Menschen sind hierzulande im Arzneimittelgesetz und im Medizinproduktegesetz ausdrücklich verboten. Doch nach Auffassung der Bundesregierung verstoßen solche Forschungen nicht gegen die Menschenwürde, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

In seiner Antwort auf eine gestern in Bonn vorgestellte fraktionsübergreifende kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne), Hubert Hüppe (CDU), Wolfgang Wodarg (SPD) und über 50 weiterer Parlamentarier nennt das Justizministerium eine entscheidende Voraussetzung: Ein Experiment, das ungeeignet sei, den minderjährigen, verwirrten oder bewußtlosen Probanden zu heilen, müsse einen „gruppenspezifischen Nutzen erwarten“ lassen. Es habe also „für die Gesundheit anderer Personen von Nutzen“ zu sein, die „derselben Altersgruppe angehören, an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustand befinden“.

Diese vom FDP-geführten Justizministerium vertretene Interpretation der Menschenwürde folgt den Vorgaben der Bioethik- Konvention des Europarates, gegen die hierzulande 1,5 Millionen Menschen, darunter zahlreiche Vertreter von Verbänden, Kirchen und sozialen Einrichtungen, per Unterschrift protestiert haben. Aufgrund des öffentlichen Drucks hat sich das Kohl-Kabinett bisher aber nicht getraut, das Übereinkommen zu unterzeichnen; nun sichert das Justizministerium in seiner Antwort auf die kleine Anfrage erstmals öffentlich zu, daß Vorarbeiten für ein Ratifizierungsverfahren „von der Bundesregierung bislang nicht aufgenommen“ worden seien. Diese Nachricht überrascht nicht nur die Fragesteller – schließlich wirbt Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) seit Monaten bei jeder Gelegenheit dafür, das Biomedizin-Übereinkommen zu zeichnen und zu ratifizieren. Beck, Hüppe und Wodarg wollen nun darüber wachen, daß die Bundesregierung in den verbleibenden Monaten der Legislaturperiode nicht doch noch ein Ratifizierungsgesetz aus der Schublade holt und dieses womöglich im Eilverfahren im Parlament durchzieht.

Dabei setzt die überfraktionelle Koalition der Konventionsgegner auch auf die außerparlamentarische Öffentlichkeit. Unter dem Motto „Bündnis für Menschenwürde“ laden Beck, Hüppe und Wodarg am 5. Februar zum „Dialog“ ins Bonner Wasserwerk. Ein Forum im Ersatzplenarsaal bekommen sollen dort Verbände, Initiativen, Ethiker und Juristen, um „eindringliche und entschiedene Bedenken“ gegen das europäische Biomedizin-Übereinkommen vorzutragen.

Ihre Kritik gilt dabei nicht nur der fremdnützigen Forschung mit einwilligungsunfähigen Menschen. Vorbehalte gibt es auch dagegen, daß der Europäische Ethikvertrag zuläßt, was das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet: Experimente und Gentests an Embryonen, die durch Befruchtung im Reagenzglas entstanden sind. Auf Bedenken stößt ferner die in der Konvention nicht ausgeschlossene Weitergabe von Gentestergebnissen an Versicherungen und Arbeitgeber. Optionen, die Bundestag und Bundesrat schon Anfang der neunziger Jahre abgelehnt, aber bis heute nicht reguliert haben.

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