: Die Polizei, dein Freund und Kontrolleur
■ Sachsen: Regierung räumt der Polizei mit einem neuen Gesetz weitreichende Rechte ein
Berlin (taz) – Sachsen kann das Spionieren nicht lassen. Die Landesregierung in Dresden hat gestern einen Entwurf für ein neues Polizeigesetz im Landtag eingebracht, das den Ermittlungsbehörden teilweise noch größeren Handlungsspielraum zugesteht. Das erste sächsische Polizeigesetz gilt als das schärfste Deutschlands und war im Mai 1996 vor dem Landesverfassungsgericht gescheitert. SPD, PDS und Grüne sehen das Urteil auch im neuen Entwurf nicht umgesetzt. Das Gericht hatte die Staatsregierung beauftragt, bei heimlichen Eingriffen in die Privatsphäre ein „angemessenes Schutzniveau“ zu schaffen, die Tatbestände sollten enger gefaßt werden. „Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf nicht gerecht“, sagt Johannes Lichdi, Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen.
Für Eingriffe in die Privatsphäre braucht die Polizei zwar jetzt eine richterliche Genehmigung. „Von den Telefonüberwachungen wissen wir aber, daß der Richter ohne Akteneinsicht einfach nur abzeichnet“, sagt Lichdi. Um den Schutz der Überwachten zu gewährleisten, sollten Ermittlungsrichter die Verfahren kontrollierend begleiten und nach Abschluß die Betroffenen informieren. Unklar bleibe im neuen Polizeigesetz, welche Rolle der Datenschutzbeauftrage spielt und wie der Landtag sowie die Öffentlichkeit über Überwachungen informiert werden. „Das Gesetz läßt weiterhin große Interpretationsspielräume zu“, kritisiert der Grünen-Sprecher.
Zusätzlich will die Staatsregierung zwei weitere Eingriffe in die Freiheitsrechte durchsetzen: ein Aufenthaltsverbot, das in extremen Fällen einem Hausarrest gleichkommt, sowie die Kontrolle von Personen, Fahrzeugen und Sachen ohne besonderen Verdacht. Allein die Annahme, jemand könne irgendeine Straftat begehen, soll nach dem neuen Polizeigesetz schon ausreichen, um ein Aufenthaltsverbot für eine Gemeinde auszusprechen, meint Hendrik Thalheim, Pressesprecher der PDS-Fraktion.
Sachsen will seinen Polizeibeamten außerdem das Recht einräumen, Personen anzuhalten, die Ausweispapiere zu verlangen und den Kontrollierten auf eine Polizeidienststelle zu bringen, wenn seine Identität nicht festgestellt werden kann. Gleichzeitig dürfen Beamte das Auto und die Sachen des Kontrollierten durchsuchen. Die Kontrollen seien zwar erst mal auf eine Zone von 30 Kilometern hinter der Grenze beschränkt, „nach dem Wortlaut kann aber auf allen Straßen Sachsens durchsucht werden“, sagt Johannes Lichdi.
Trotz der Kritik der Opposition wird der Landtag das Polizeigesetz mit CDU-Mehrheit wohl bis zum Herbst verabschieden. Der PDS- Fraktionssprecher Thalheim sieht „zwingende Gründe“ für eine aussichtsreiche Normenkontrollklage vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof. Auch Lichdi, selbst Jurist, ist überzeugt: „Das Gesetz ist eindeutig verfassungswidrig.“ Sascha Borree
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