: Sozialdaten landeten auf dem Klo
■ Heikle persönliche Daten bringen das Siegener Sozialamt in Erklärungsnot. Düsseldorfer Datenschützerin droht mit Besuch
Siegen (taz) – Gerhard Häuser mag es gar nicht glauben. Leistungsbescheide, Protokolle, Mitteilungen aus seiner Behörde auf einem Journalistenschreibtisch? Daß „so was passiert“, scheint dem stellvertretenden Leiter des Siegener Sozialamtes „nur schwer vorstellbar“.
Doch die Aktenzeichen auf Dutzenden von städtischen Schreiben vom vergangenen Jahr lügen nicht. Mal wird den angeschriebenen Sozialhilfeempfängern Geld bewilligt, mal die „Leistung sofort eingestellt“. Auch standardisierte Protokolle mit Angaben zu Schulabschlüssen und über die soziale Situation der Angeschriebenen gehören zu der anonym zugeschickten Sendung. Nur soviel teilt der Informant mit: Gefunden wurde alles auf einem „öffentlich zugänglichen Klo“.
Aufgefallen scheint der Schwund niemandem. Weder die Angestellten noch ihr Vizechef Häuser – „ich kann das nicht nachvollziehen“ – vermissen etwas. Normalerweise werden Bescheide doppelt ausgeführt. Einer geht an die Betroffenen, einer wandert in die Akte, erklärt Sachbearbeiterin G. Eine Weiterleitung an Unbefugte sei „eigentlich nicht möglich“. Hat gar ein Mitarbeiter 120 Schreiben zu ganz profanen Zwecken mit auf die Toilette geschleppt – und dann vergessen? Oder tummelt sich ein Hacker im städtischen Computersystem? Gerhard Häuser verspricht, den „interessanten“ Vorgang zu recherchieren. Pia Ritter wüßte auch gern Genaueres. Sie überwacht bei der Datenschutzbeauftragten des Landes in Düsseldorf als Referatsleiterin den Umgang mit Daten im Sozialbereich. Häuser empfiehlt sie, bald eine plausible Erklärung zu liefern. Sonst könnte „überraschender Besuch“ aus Düsseldorf ins Haus stehen. Datenschutzignorante Behörden schaut sich Ritter gern von innen an. Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen