Mit der Karriere auf Du und Du: Chef im Osten
■ Bremer Immobilienbetrüger fand Anstellung im Potsdamer Rathaus
Ein in Bremen rechtskräftig verurteilter Betrüger ist in Potsdam zum Amtsleiter aufgestiegen. Wie ein Justizpressesprecher am Wochenende mitgeteilt hat, ist das Urteil gegen den 50jährigen Karl-Heinz Schneider aus Delmenhorst wegen Betruges vom Hanseatischen Oberlandesgericht jetzt sogar im Revisionsverfahren bestätigt worden (AZ SS62/97 OLG).
Schneider war im April des vergangenen Jahres vom Amtsgericht Bremen wegen Betrugs und Untreue zu einer Geldstrafe von 11.400 Mark verurteilt worden. Er sollte für eine Hamburger Immobilienfirma 80 Wohnungen zu einem Stückpreis von 98.000 Mark verkaufen.
Doch Schneider bot die Wohnungen für 130.000 Mark an und machte seinen Kunden ein scheinbar verlockendes Angebot: Für 15.000 Mark bar auf die Hand sollten sie die Wohnung zu einem Kaufpreis von 98.000 Mark bekommen. Bei einer geplanten Schmiergeldübergabe auf dem Bremer Marktplatz ging der Makler der Kripo ins Netz. Schneider wurde vor Gericht gestellt und verurteilt.
Der Karriere des Immobilienmaklers tat das keinen Abbruch. Nachdem der Sozialdemokrat vergeblich versucht hatte, Stadtkämmerer von Delmenhorst zu werden, zog es ihn nach Ostdeutschland. Er avancierte zum Leiter der städtischen Beteiligungsgesell-schaft in Potsdam. Der Stabsstelle gehören 25 kommunale Unternehmen und 4.000 Mitarbeiter an. Den Job bekam Schneider über den dortigen Finanzstadtrat Hans-Joachim Bosse, ebenfalls SPD-Mitglied.
Er hätte nichts über die kriminellen Machenschaften Schneiders gewußt, verteidigte sich Bosse. Auch als er über das laufende Verfahren informiert wurde, sah er keinen Anlaß, Schneider vom Dienst zu suspendieren. „Daß jemand rechtskräftig verurteilt ist, kommt im öffentlichen Dienst vor. Wenn es soweit ist, werde ich entscheiden, ob Herr Schneider weiter bei uns arbeiten darf“, sagte er Mitte letzten Jahres gegenüber Journalisten.
Schneider hatte in der Zwischenzeit Sprungrevision gegen das Urteil beim Oberlandesgericht eingelegt. Wenn die Richter am OLG das Verfahren vor dem Amtsgericht als fehlerhaft eingestuft hätten, wäre der Makler ohne weitere Verhandlung freigesprochen worden. Dazu sah das Oberlandesgericht aber keine Veranlassung.
Doch obwohl jetzt auch das rechtskräftige Urteil gegen Hans-Joachim Schneider vorliegt, hatte Bosse am Freitag keine Zeit für eine Stellungnahme. Er hat Wichtigeres zu tun: Ein Bauskandal hält die Stadtväter Potsdams in Atem.
Der Baustadtrat Detlef Kaminski (SPD) soll 1992 mit der Bayrischen Vereinsbank einen günstigen Optionsvertrag für eine Eigentumswohnung geschlossen haben. Als Dankeschön soll er die Bank beim Kauf eines Grundstücks begünstigt und mit einer schnellen Baugenehmigung belohnt haben.
Der Untersuchungsausschuß hat der Stadtverordnetenver-sammlung jetzt empfohlen, Kaminski zu entlassen. Außerdem ist der Leiter des Liegenschafts-amtes, Albrecht Sonnenschein, unter Beschuß geraten. Er soll einen Bauunternehmer beim Kauf eines städtischen Grundstücks begünstigt haben.
Bosse verteidigte Sonnenschein am Wochenende. „Es sind keine Dienstpflichtverletzung festgestellt worden“, sagte er. Über die Zukunft von Schneider hat sich Bosse hingegen offenbar noch keine druckreifen Gedanken gemacht. „Wir prüfen die Angelegenheit noch“, sagte eine Sprecherin der Stadt am Freitag gegenüber der taz. kes
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