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Roeders Vortrag war Thema an der Bar

■ Die Unterlagen für den Bundeswehr-Untersuchungsausschuß beweisen, daß Soldaten schon 1995 über den Besuch des Neonazis Roeder plauderten. Trotzdem glaubt die Hardthöhe dem Kommandeur seine Unkenntnis V

Von Bettina Gaus

Seit Jahren wird Bürgern von Verbraucherschutzorganisationen geraten, vor Vertragsabschluß das Kleingedruckte zu lesen. Bislang schien es überflüssig zu sein, diesen Rat auch den Mitgliedern eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Bonn zu erteilen.

Die Zeiten haben sich geändert. Die Anlagen zu dem Bericht über die Roeder-Affäre, den die Hardthöhe dem Ausschuß zugeleitet hat, umfassen mehrere hundert Seiten – manche von ihnen sind erheblich brisanter als der Bericht selbst.

Die Tatsache, daß der Rechtsextremist Manfred Roeder im Januar 1995 einen Vortrag an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg gehalten hatte, hatte sich nach einigen Monaten so weit herumgesprochen, daß auch unbeteiligte Soldaten offen beim Bier darüber plauderten.

Ein Oberstleutnant gab jetzt gegenüber der Hardthöhe zu Protokoll, er habe im September 1995 in der Bar des Offiziersheims „mit einer Gruppe von Offizieren“ den Fall Roeder diskutiert. „Aufgrund der Offenheit dieses Gesprächs“ habe er „nicht einen Augenblick daran gezweifelt, daß dieser Sachverhalt auch der Leitung der Akademie bekannt ist.“

Genau das bestreitet jedoch der damalige Kommandeur Hartmut Olboeter entschieden. Er gab in einer dienstlichen Erklärung an, erst am 6. Dezember 1997 von dem Roeder-Vortrag erfahren zu haben. Bis dahin sei ihm nicht bekanntgewesen, daß Roeder eingeladen war und daß nach dem Vortrag der politische Hintergrund Roeders im Akademiestab bekanntgeworden sei. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals war der General von sämtlichen Aufgaben bis zur vollständigen Klärung der Angelegenheit entbunden worden. Jetzt sieht es so aus, als könne er bald an seinen Schreibtisch im Verteidigungsministerium zurückkehren, wo er mittlerweile Chef der Personalabteilung ist. Der Bericht der Hardthöhe kommt zu dem Ergebnis, ihm seien „keine Dienstpflichtverletzungen vorzuwerfen“. Wenn Olboeter tatsächlich nichts von dem Roeder-Vortrag erfahren hat, dann stellt sich die Frage, mit wem der Kommandeur in der Akademie überhaupt jemals gesprochen hat. „Nachdem die Identität von Herrn Roeder bekanntgeworden war, gab es keine Schweigepflicht über diesen Vorfall“, erklärte der damalige Chef des Akadmiestabes Oberst Norbert Schwarzer jetzt gegenüber dem Verteidigungsministerium. Er hatte Roeder zu seinem Vortrag eingeladen, ohne daß ihm eigenen Angaben zufolge damals der Hintergrund des Rechtsextremisten bekanntgewesen war.

Auch das Thema des Vortrags – die „Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg“ – erweckte bei Schwarzer keinen Verdacht: „Mir war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt, daß das Thema – Königsberg – rechtsradikal besetzt sei. Erst durch anschließende intensive Lektüre von Presseartikeln habe ich in Erfahrung gebracht, daß das Thema Königsberg auch von der rechten Seite intensiv behandelt wird.“

Über den geistigen Hintergrund Roeders wurde der Chef des Akademiestabes gleich zweimal unterrichtet. Ein Hauptmann informierte ihn unmittelbar, nachdem er am 14. Mai einen Fernsehfilm über Roeder gesehen hatte. Der Hauptmann gewann den Eindruck, daß Schwarzer „betroffen“ über die Mitteilung war. Einen oder mehrere Tage später – irgendwann zwischen dem 15. Und 18. Mai – klärte danach auch noch ein historisch interessierter Oberstleutnant Schwarzer auf. Der, so die Erinnerung des Oberstleutnants, habe „sich deutlich erschrocken gezeigt.“

Nachdem ein Spiegel-Artikel über Manfred Roeder erschienen war, befaßte sich eine ganze Runde von Offizieren offiziell mit dem Vorgang. Ein Oberstleutnant, der dabeigewesen war, teilte nun im Dezember 1997 in einer dienstlichen Erklärung mit: „Wir erörterten im Offizierskorps des Akademiestabes mit dem Chef AkStab, was zu tun sei, ob man das Auftreten von Herrn Roeder melden müsse oder nicht. Der Chef AkStab erklärte, er wolle sich das überlegen. Nach einiger Zeit teilte er uns in der Stabsbesprechung mit, daß nichts zu veranlassen sei, daß hoffentlich Gras über die Sache wachsen würde und daß in Zukunft die Auswahl von Gastdozenten mit noch größerer Sorgfalt vorgenommen werden müsse.“

Gras ist über die Sache nicht gewachsen. Dennoch läßt der Leiter der Rechtsabteilung des Verteidigungsministeriums, der den Bericht der Hardthöhe abgefaßt hat, in seiner abschließenden Wertung keinen Zweifel an der Darstellung Olboeters erkennen, er habe von dem Vortrag nichts gewußt. „Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß dem Kommandeur nachträglich von dritter Seite der Auftritt Roeders gemeldet worden ist. In der Presse angestellte Vermutungen haben sich als haltlos erwiesen. In die nachträglichen Diskussionen an der Führungsakademie ist der Kommandeur nicht einbezogen worden“, heißt es in dem Bericht wörtlich.

„Es ist eine Frage des Führungsstils und nicht der Dienstaufsicht, wie nahe ein Kommandeur den unterschiedlichen Diskussionskreisen seines Verbandes/seiner Dienststelle ist.“

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