: Der Fall Roeder: Wann lesen Sie Akten, Herr Rühe?
■ Mindestens vier Abteilungen des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr hatten wegen einer Lastwagenspende Kontakte mit dem Rechtsextremisten Roeder
Bonn (taz) – Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hat noch Tage nach Bekanntwerden der Roeder-Lastwagen-Affäre gegenüber Parlament und Öffentlichkeit erklärt, er habe nicht gewußt, daß eine Verbindung zwischen dem verurteilten Rechtsextremisten und seinem „Gemeinschaftwerk“ erkennbar war. Inzwischen aber steht fest: Der Name Roeders war in den Akten mehrerer Abteilungen der Bundeswehr und des Ministeriums, die die Materiallieferung bearbeitet hatten, gut lesbar zu finden.
Vier Abteilungen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums, die mit der Abgabe von Material an das „Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk“ Roeders befaßt waren, haben mehrfach mit Roeder korrespondiert oder persönlichen Kontakt zu ihm gehabt. Das geht aus den Anlagen des Berichts der Hardthöhe hervor, mit dem die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses über Hintergründe und Begleitumstände der Roeder-Affäre informiert werden und die der taz vorliegen. Nach Durchsicht der Akten drängt sich die Frage auf, warum diese Unterlagen in der Darstellung der Affäre durch das Ministerium tagelang keine Rolle spielten. Hat die Hardthöhe diese Akten nach Bekanntwerden des Skandals über Tage hinweg nicht angefordert? Wurde der Minister nicht informiert? Oder hat er die Unwahrheit gesagt?
Am 9. Dezember 1997 bestätigte ein Sprecher der Hardthöhe Berichte, denen zufolge das „Gemeinschaftswerk“ von der Bundeswehr drei Fahrzeuge und Werkzeug erhalten hatte. Er betonte jedoch, die Verbindung zwischen der Organisation und ihrem Mitbegründer Roeder sei nicht erkennbar gewesen. Am selben Tag fragte der Militärische Abschirmdienst (MAD) beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg nach dem Verbleib von zwei der Fahrzeuge, wie aus den Anlagen des Ministeriumsberichts hervorgeht. Für die Nachforschungen konnte der MAD die Fahrgestellnummern angeben. Woher, wenn nicht durch Studium der Akten, hatte der MAD die Fahrgestellnummern?
Am 10. Dezember befaßten sich Verteidigungsausschuß und Bundestag mit der Affäre. Am Vormittag dieses Tages tauchte ein Fax an das Ministerium mit der Kennung „Roeder“ auf: Anlaß für Empörung bei der Opposition, die darin einen Beweis sah, daß aufmerksame Bearbeiter des Vorgangs die Verbindungen Roeders zur Organisation hätten erkennen können. Doch einen Tag später wies Volker Rühe Vorwürfe vehement zurück, Parlament und Ausschuß belogen zu haben. Bevor das Fax aufgetaucht sei, habe er nicht gewußt, daß ein Zusammenhang zwischen dem „Gemeinschaftswerk“ und Roeder erkennbar gewesen sei.
Dieser Zusammenhang ist, wie die Anlagen des Berichts jetzt zeigen, mühelos erkennbar. Der Rechtsextremist hatte sich 1993 an das Materialamt des Heeres mit der Bitte um Unterstützung für seine Organisation gewandt. Beim Gerätehauptdepot Hesedorf holte er später selbst die Fahrzeuge ab, im Gerätehauptdepot Glinde die Werkzeuge. Manfred Roeder korrespondierte mehrfach direkt mit dem Verteidigungsministerium.
Den formalen Antrag auf Unterstützung stellte beim Ministerium der erste Vorsitzende der Organisation, Konrad Schneider. Etwa ein Jahr nach Übergabe der Fahrzeuge bittet diesen dann am 9. Mai 1995 das Führungszentrum der Bundeswehr im Verteidigungsministerium um einen Ausfuhr- oder Empfängernachweis für die überlassenen Hilfsgüter. Am 28. September antwortet Roeder und bittet seinerseits um eine Bescheinigung für Zollfreiheit an der russischen Grenze. Diese wird am selben Tag geliefert. Am 31. Oktober dankt Roeder für die „nette und unbürokratische Hilfe“ und legt seinem Schreiben eine Ausfuhrbescheinigung für einen Lkw bei, die auf seinen Namen ausgestellt ist.
Danach wird der Vorgang „irrtümlich geschlossen“, wie es im Bericht der Hardthöhe heißt, obwohl der Verbleib der beiden anderen Fahrzeuge weiterhin ungeklärt war. Bettina Gaus Bericht Seite 7
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