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A Ma Is Born Von Susanne Fischer

Seit Frau Fischer schwanger ist, ist sie ja vollends unerträglich geworden. Den ganzen Tag lächelt sie blöde vor sich hin und versichert allen, die es hören wollen, daß es ihr noch nie so gut gegangen sei. Allen, die es nicht hören wollen, erzählt sie das notfalls auch zwei- oder dreimal.

Frau Fischer ist nämlich die erste Frau auf der Welt, die ein Kind erwartet. Keine war je so schwanger wie Frau Fischer! Die anderen haben alles falsch gemacht. Deshalb bekamen sie Depressionen und Krampfadern und häßliche Kinder, während Frau Fischers Kind im Alter von etwa drei Monaten Fußballnationalspieler werden wird, da ist sie sich so was von sicher. Falls es aber erwägt, noch vorher zu Bayern München zu wechseln, wäre Frau Fischer sogar bereit, sein Taschengeld um 50 Pfennig zu erhöhen, um diese familiäre Schmach abzuwenden. Daß es sich bei dem Kind um einen Jungen handelt, war ein schwerer Schlag für Frau Fischer. Ein Macker! Aus ihrem feministisch geprüften Bauch! Als sie vier Jahre alt war, hat sie geglaubt, daß die kleinen Jungen von Männern geboren werden und nur die Mädchen von Frauen. Im Grunde hat sich ihre Überzeugung bis heute nicht geändert.

Frau Fischer erzählt schon wieder, wie gut es ihr gerade geht. Besser als je zuvor! Das sind die Hormone, weiß Frau Fischer. Dann kommt sie nach Hause, wo der gestrige Abwasch vollständig unberührt stehengeblieben ist und auf Frau Fischer und ihre Spitzenlaune wartet. Schon beginnt Frau Fischer, heftig zu weinen. Das sind jetzt aber nicht die Hormone, sondern bloß der Abwasch, heult sie laut ins Telefon. Ob die Dame von der Telefonseelsorge ihr glaubt?

Als kritisch erwies sich bisher die Namensdebatte. Herr Egner, der sonst für alles einen guten Rat weiß, favorisiert die Vornamen „Forscher“ und „Grammophon“. Frau Fischer glaubt dagegen nicht an ausgefallene Namen, denn in ihrem Dorf werden sowieso alle Jungen ab dem fünften Lebensjahr Micki oder Hacki genannt.

Frau Fischer möchte gerne alles richtig machen. Leider wird werdenden Müttern nichts anderes abverlangt, als beim Arzt ohne Unfall in einen kleinen, lächerlich leichten Plastikbecher zu pinkeln und vernünftige Blutwerte aufzuweisen. Beides gelingt Frau Fischer nicht, so daß sie beginnt, bitterlich zu schluchzen, aber nur, wenn keiner hinguckt. Das haben sie mir im Studium nicht beigebracht! wimmert Frau Fischer. Aber sonst geht es mir echt top.

Abends macht sich Frau Fischer jetzt gern vor dem Fernseher breit. Noch nie ist es ihr vor der Glotze so gut gegangen! Dazu ißt sie gerne einen halben Laib Brot und einen Emmentaler Käse, groß wie ein Babykopf. Wenn Frau Fischer an einem Spiegel vorbeikommt, behält sie ihre gute Laune. Sie steht zu ihrer Figur! Und mit geschlossenen Augen findet sie sich gar nicht mal so häßlich. Manchmal sitzt auch der Kindsvater mit vor dem Bildschirm, solange noch ein bißchen Platz für ihn auf dem breiten Sofa bleibt. Da! sagt Frau Fischer, er hat wieder getreten! Sie führt ihm die Hand über ihren Bauch, der die Ausmaße eines Fußballplatzes angenommen hat, bis der werdende Vater die wandernden Beulen in Frau Fischers Oberfläche spüren kann. Jetzt ist es an ihm, blöde zu lächeln. Das sind gewiß die Hormone, weiß Frau Fischer.

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