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Teherans Hardliner torpedieren die liberalere Linie

■ Mit dem Amtsantritt Mohammad Chatamis hat sich der rigide Moralkodex im Iran etwas gelockert. Aber wenn der Präsident sich mal zu weit vorwagt, machen die Konservativen mobil

Die Entlassung Faradsch Sarkuhis aus der Haft ist ein wichtiger Etappensieg für Irans Präsidenten Mohammad Chatami. Rund 20 Millionen IranerInnen gaben dem Kleriker, der als vergleichsweise moderat gilt, im Mai 1997 vor allem deswegen ihre Stimmen, weil er zum einen versprochen hatte, den strengen Moralkodex der Islamischen Republik ein wenig zu lockern und zum anderen im Ruf stand, sich für bedrängte Kritiker des Staates einzusetzen.

Auf dem ersten Gebiet zeigten sich nach Chatamis Amtsantritt kleine Veränderungen. Die für die Beachtung der Bekleidungsvorschriften zuständigen Sittenwächter schreiten heute nicht mehr so oft ein, wenn bei Frauen der Schador weit nach hinten rutscht oder unter dem weiten Mantel die Jeans bereits kurz unterhalb des Knies sichtbar wird. Am Hang des schneebedeckten Elbrus-Berges im Norden Teherans bewerfen sich in diesem Winter Jungen und Mädchen unbehelligt mit Schneebällen. Und CDs und Kassetten mit westlicher Popmusik sind, wenn auch nach wie vor illegal, inzwischen leichter erhältlich.

Mit seinem Einsatz für die iranischen Intellektuellen jedoch tat sich der ehemalige Minister für Religiöse Führung und Kultur schwer. Die bei der Präsidentschaftswahl unterlegenen konservativen Gegner Chatamis wußten sehr wohl, daß sie durch Repressalien gegen diese kleine Gruppe die Politik Chatamis sabotieren konnten, ohne einen Volksaufstand fürchten zu müssen. Und dieses Mittel setzten sie gnadenlos ein. So verwüsteten im August 1997 Schläger der Ansar-e Hisbollah, Anhänger der Partei Gottes, die Redaktionsräume der kritischen Monatszeitschrift Iran-e Farda (Iran von Morgen). Einige Wochen später verhinderten Hisbollahis in einer Halle des Ministeriums für Religiöse Führung und Kultur eine Lesung der Schriftstellerin Schirin Behbahani; sie war 1996 Gast des deutschen Kulturattachés in Teheran gewesen.

Im November stürmten Hisbollahis das Büro der Wochenzeitschrift Pajam-e Daneschju (Botschaft der Studenten) und schlugen Chefredakteur Heschmatollah Tabarsadi krankenhausreif. Vermuteter Grund: Kurz zuvor hatte der Studentenaktivist bei einer Demonstration auf dem Campus der Teheraner Uni gefordert, die Befugnisse des Religiösen Führers des Landes, Ali Chamenei, zu beschneiden. Der offiziell mächtigste Mann der Islamischen Republik zählt zu den Konservativen, die Hisbollahis gelten als eines seiner inoffiziellen Politikinstrumente.

Die Repression richtet sich auch gegen direkte politische Kontrahenten der Konservativen. So verwüsteten im November letzten Jahres vorgeblich aufgebrachte BürgerInnen in der den Schiiten heiligen Stadt Qom das Büro des Großajatollahs Hossein Ali Montaseri. Der wegen seiner Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Ungnade gefallene einstige Vertraute von Revolutionsführer Chomeini hatte es in einer Predigt gewagt, dem Religiösen Führer Chamenei die theologische Qualifikation abzusprechen. Außerdem hatte er sich in einem Brief für Präsident Chatami stark gemacht. Wenige Tage nach dem Überfall in Qom meldete sich der so geschmähte Chamenei in der Angelegenheit selbst zu Wort: Montaseri gehöre der Prozeß gemacht, erklärte er beleidigt.

Im Dezember 97 dann landete unversehens Ebrahim Jasdi im Gefängnis, der Vorsitzende der Nehsat-e Asadeh (Freiheitsbewegung), die für eine Reduzierung des Einflusses der Religion auf die Politik eintritt. Der Geheimdienst hatte ein vertrauliches Gespräch belauscht, in dem sich Jasdi angeblich von den Grundsätzen der Islamischen Republik distanzierte. Der Chef der in Teheran als einzig legale Oppositionsgruppe gehandelten Freiheitsbewegung kam nach elf Tagen gegen Kaution frei. Ein Urteil gegen ihn solle später gefällt werden, hieß es von Seiten der Justizbehörden.

Gänzlich unerwartet versucht sich Chatami neuerdings noch auf einem anderen Gebiet: dem der Außenpolitik. Der einst als islamistischer Linker geltende Präsident bereitet dem Land den Weg zu einer Annäherung an den „Großen Satan“ USA. Nach mehreren Geheimkontakten über die Botschaften der Schweiz und Saudi-Arabiens ging Chatami Anfang Januar 1998 an die Weltöffentlichkeit. In Form eines Interviews richtete er über den US-amerikanischen Nachrichtensender CNN eine „Botschaft an das amerikanische Volk“. Sie war versöhnlich. Kaum verhohlen entschuldigte sich Chatami für die Geiselnahme in der US-Botschaft von Teheran im Jahre 1979 und forderte den Austausch von Künstlern, Wissenschaftlern und Touristen. Nur in einem Punkt blieb er der bisherigen iranischen Linie treu: Für politische Kontakte zur US-Regierung sehe er „keine Notwendigkeit.“

Den Hardlinern in Teheran ging das dennoch entschieden zu weit. Sie machten mobil. In dem von ihnen dominierten Parlament wurde der Druck so stark, daß selbst Chatami nahestehende Abgeordnete sich per Resolution gegen jedwede Kontakte zu dem „Erzfeind“ aussprachen. Die konservative Presse bezichtigte den Präsidenten des Verrats. Da blieb Chatami nur noch der Rückzug. Demonstrativ verurteilte er vor dem goldenen Schrein des verstorbenen Chomeini die „Unterdrückung Irans“ durch die USA. „Amerikanische Politiker benehmen sich wie die Herren der Welt“, rief der Präsident in die Menge. „Tod Amerika“ schallte es zurück. Das iranische Fernsehen, fest in den Händen der Konservativen und normalerweise geizig in der Berichterstattung über die Aktivitäten Chatamis, übertrug die stundenlange Veranstaltung in voller Länge.

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