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Schönes autonomes Leben

■ Raul Zelik unterhielt die hiesige Linke mit seinem Roman

Bremens Linke haben ein neues Lieblingsbuch. „Friß und stirb trotzdem“ist ein Roman darüber, daß sich alles doch gelohnt hat: Der Ärger mit der Polizei, das Pennen in zugigen besetzten Abbruchhäusern, zu denen Hundescheiße-gepflasterte Gehwege führen, der Vokü-Mampf und der ganze Rest. Raul Zelik, ein spanischstämmiger Berliner, hat dieses Buch über eine Gruppe junger MigrantInnen geschrieben und stellte es bei einer Veranstaltung des Infoladens Umschlagplatz in der vollgepackten Villa Ichon vor.

Der 29jährige sieht aus, als wäre er selbst Teil der in schlabberigen Hosen und kapuzenlosen Fishbone-Sweater gehüllten Jugendposse, die im Buch beschrieben wird.

Seinen Roman hat Zelik an den sogenannten Kaindl-Fall angelehnt. 1992 verblutete der gleichnamige Schatzmeister der rechtsextremen Deutschen Liga für Volk und Heimat nach einem Überfall junger Türken und Kurden. Einige der Beschuldigten tauchten ab. Zelik erzählt von ihrem Alltag in Berlin, erzählt aber auch die Geschichte des Untertauchens, die den Alltag der Posse sprengt.

„Eigentlich wollte ich kein Buch nur für Linke schreiben“, sagt Zelik. Hat er aber getan und es trotzdem geschafft, ein gutes Buch zu schreiben, eine gute Lesung zu halten. Zur Freude der Bremer Linken fand sich in dem von Zelik beschriebenen Alltag der Migranten-Kids einiges, was Deja-vu-Effekte auslöste. Zum Beispiel amüsiert sich Zeliks Ich-Erzähler über das szeneübliche und scheinherzliche „Naaaa!?!“.Oder er entlarvt das gegenseitige Belauern auf den Plena und Gruppensitzungen. Zelik beschreibt aber auch die kurzen, tiefen Momente der Freiheit, der Erfüllung – wenn man einem Rostocker Fascho eine reinsemmelt oder auf einem geklauten Mountain-Bike durch die Stadt flitzt.

Zelik beschränkte sich in seiner Lesung auf die erste Hälfte seines Buches. Den zweiten Teil, die Geschichte der Flucht, ließ er weg, weil sie trotz Zeliks Bekanntschaft mit einigen Abgetauchten „nur fiktiv“und so für ein Publikum außerhalb Berlins nicht so interessant sei. Schade, denn so bekam man nicht mit, daß Zelik auch sensibel und eindringlich von den langweiligen Tagen in den Wohnungen von unbekannten Helfern erzählen kann, wo sich die Zeit wie Kaugummi zieht und Anspannung und Ungewißheit omnipräsent sind. Und daß er zwar im Detail den autonomen Lebenswandel ästhetisiert, aber nicht blind glorifiziert.

Während jedoch die übliche linke Literatur unerquicklich, sinnfeindlich und anstrengend daher kommt, traut sich Zelik wenigstens, das Sinnliche und Schöne am autonomen Leben herauszuarbeiten und das der versammelten Linken vorzutragen. Und der machte es Spaß, zuzuhören und zu denken: „Wetten, daß Raul gerade den Basketballplatz am besetzten Haus in der Köpeniker Straße beschreibt?“Schließlich kennt jede und jeder Bremer Linke Berlin, oder besser: Die Ecken, die auch Zelik beschreibt. Lars Reppesgaard

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