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: Irgendwie clever

Die Bürger von Schilda würden staunen: Auch so kann man Kreativität zeigen. Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) will in Zukunft mit der Keule der Marktwirtschaft gegen Graffiti an öffentlichen Brücken vorgehen. An 150 der insgesamt 700 Bauwerke, die in „Spree-Athen“ übers Wasser helfen, soll endlich das Image vom „Spray-Athen“ ausradiert werden. Und zwar mit der Vermietung an die Werbewirtschaft. Denn wo nicht mehr der nackte Beton glänzt, können auch die Künstler (oder Schmierfinken, je nach Standpunkt) nicht mehr glänzen. Demnächst also Spaghetti statt Graffiti.

Über guten Geschmack wird bekanntlich jede Menge gestritten. Bisher hieß es immer, selbst die graueste, ödeste und den Betrachter zum Selbstmord drängendste Brandwand sei immer noch schöner, weil ordentlicher, als das feinste und bunteste Graffitio, das schließlich heimlich von wer weiß wem angebracht wurde. Diese Argumente haben nun ausgedient. Denn offensichtlich wird ein Werk um so akzeptabler, je deutlicher seine Absicht ist. Statt irgendwelcher geheimer unleserlicher Botschaften soll uns also nun „Kauf mich!“ von den Brücken anbrüllen. Möglichst in Schockfarben, beleuchtet und mit grellen Motiven. Denn Werbung, und sei sie noch so aggressiv, stört uns weniger als die Reviermarkierungen einer jugendlichen Subkultur, die vor allem von der Polizei todernst genommen wird. Und die Sprüche und Abziehbilder der Werbeindustrie haben sich gar nicht heimlich in unseren Alltag eingeschlichen. Das beste Argument für die Brückenwerbung aber kommt zum Schluß: Schließlich will das Land mit den Werbeflächen Geld verdienen. „Irgendwie clever“, könnte man meinen. Und darüber vergessen, daß auch dies ein Werbespruch ist. Bernhard Pötter