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■ Versprochen ist versprochen: Wie ich einmal Buddhist war (II)Die Fortsetzung

Was bisher geschah: Der Ich-Erzähler hat in einer Bar in Mitte zwei alte Bekannte getroffen.

Meine alte Freundin setzte sich neben mich, ihr Begleiter nahm gegenüber Platz und bestellte sich einen Saft. Wenn man ihn so ansah, frisches Gesicht, gut herausgeputzt und den Schalk in den Augen, hatte er sein altes Drogenproblem offensichtlich in den Griff gekriegt und war nicht, wie viele Ex-Junkies, nach dem Entzug einfach auf harten Alk umgestiegen. Ich freute mich, für ihn und ganz allgemein; so häufig sind richtig gute Nachrichten ja nicht.

Wie es denn ginge, fragte ich meine alte Freundin, und sie meinte, na ja, finstere Zeiten, Rechtsruck, immer mehr Arschlöcher unterwegs, dazu die vielen Arbeitslosen. Moment mal, hakte ich ein, wenn ich Nachrichten hören will, kann ich das Radio andrehn. Wir haben uns ewig nicht gesehn, und du erzählst mir lauter Sachen, die ich schon weiß?

Ihr Begleiter grinste sich eins, sagte aber nichts, und sie fing noch mal an, ätzend sei das, alle wahnsinnig geworden, guck dir doch die Leute an, nur Scheiße im Kopf, und ich sagte, klar, was sonst, aber wie geht es DIR, was hast du gemacht im letzten Jahr, doch nicht zu Hause gesessen und Arbeitslose gezählt, oder?

Aber sie hörte mich nicht, war schon ganz drin in ihrer Litanei, spulte das Programm ab, ich kannte es gut aus unseren aufgeklärten Kreisen, hätte aus der Erinnerung mitsprechen können, und plötzlich, so gern ich sie hatte und so sehr es auch stimmte, was sie sagte, konnte ich ihren Singsang nicht mehr hören, diesen Brei aus Unpersönlichkeit, allgemeinem Durchgekaue, Restpolitik und Rechthaberei, und weiß der Nesquik, was mich juckte, jedenfalls hörte ich mich auf einmal sagen: Als Buddhist sehe ich das schon etwas anders.

Ihr Redefluß ebbte ab, verstummte völlig, sie fixierte mich mit sich weitenden blauen Augen, in ihrem Kopf arbeitete es, man konnte dabei zusehen, beinahe die Scharniere quietschen, es rattern und knacken hören, und dann hatte sie die Information, die keine war, einsortiert, wußte wieder Bescheid und sagte: Ach so. Du also auch.

Mit Mühe unterdrückte ich den Impuls, zu lachen und nicht wieder aufzuhören damit. Ich ahnte, was in ihr vorging, 15 Jahre Zugehörigkeit zur deutschen Linken hatten sie nur eines gelehrt: mit allem zu rechnen, mit jedem Irrsinn, mit jedem Verrat, mit der absoluten Bereitschaft zur Beteiligung an jeder nur denkbaren Schweinerei.

Konnte man ihr's verdenken? Ehemalige Nato-Gegner hetzten junge Leute zur Bundeswehr oder wollten sie als Blauhelme verheizen, Ex-Maoisten machten für die Rechten die Dreckarbeit, schrieben Bücher über die Verbrechen der Linken und wollten ständig mit Nazis reden. Aber daß man mit dem kleinen Wort „Buddhist“ die Ich-behalte-den-Durchblick-egal- was-passiert-Maschine anwerfen konnte, erstaunte mich doch.

Ich schaffte es, ernst zu bleiben, und mit dem seriösesten mir möglichen Blick sagte ich noch einmal: Als Buddhist sehe ich das schon etwas anders. Zum Beispiel die Arbeitslosigkeit: Das ist doch gut. Sieh dich doch mal nur in diesem Laden um: Die Leute haben garantiert alle was zu arbeiten und entsprechend ein bißchen Kohle. Und – hat es ihnen was gebracht? Diesen stumpfen Visagen? Die machen ihren Trott und sind schon jetzt so verblödet wie der Malocher aus dem Bilderbuch des Sozialarbeiters nach 20 Jahren am Band, halten sich dabei aber noch für oberschlau. Die muß man mal aufwecken! Ihnen derart den Boden unter den Füßen wegziehen, daß er ihnen ins Gesicht haut!

Ich log, daß mir fast der Schweiß ausbrach, und hatte höllischen Spaß dabei. Ich blieb in Fahrt: Wenn du die be-freien willst, mußt du sie frei-setzen! Damit die mal um-denken!

Aber lesen Sie schon am Montag den dritten Teil unserer Serie „Buddhismus einmal ganz anders“. Wiglaf Droste

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