■ Mit Auslandsinvestitionen auf du und du: Zuviel Globalisierung
Berlin (taz) – Noch stärker als der Welthandel tragen internationale Investitionen zur Globalisierung bei. Das Volumen der grenzüberschreitenden Investitionen wächst dreimal so schnell wie die Produktion und doppelt so schnell wie der Welthandel. Knapp 350 Milliarden Mark haben Konzerne allein 1996 im Ausland investiert. Das bedeutet aber nicht, daß im selben Wert neue Fabriken entstanden sind. Fast 80 Prozent der Investitionen sind schlicht Übernahmen bereits bestehender Firmen oder spekulative Aktienkäufe.
War einst von der „Diktatur der Kartelle“ die Rede, werden die Multis jetzt als Wachstumsmotoren gefeiert, die ärmeren Ländern Entwicklung ohne Verschuldung versprechen. Daß einige dieser Konzerne größer sind als so manche Volkswirtschaft – General Motors als weltgrößtes Unternehmen liegt mit seinem Umsatz nur knapp unter dem Bruttoinlandsprodukt des Erdöllandes Venezuela, und Daimler nimmt es mit Chile auf –, scheint dabei niemanden mehr zu sorgen.
Die Konzerne selbst haben gar keine Wahl, als ins Ausland zu gehen. Zum einen müssen sie in den Märkten präsent sein, in denen sie ihre Produkte absetzen wollen. Und zum anderen versuchen sie natürlich, Standortvorteile wie niedrige Löhne auszunutzen.
Inzwischen mehrt sich jedoch die Kritik an dieser Art der Globalisierung. Und zwar nicht nur von Entwicklungspolitikern oder Umweltschützern, die beklagen, daß die um Investitionen konkurrierenden Staaten Sozial- und Umweltstandards vernachlässigen oder gar bewußt senken. Auch die Unternehmer selbst bekommen langsam Zweifel. Manche Konzerne, etwa der Turnschuhhersteller Nike oder Jeansfabrikant Levi's, haben gemerkt, daß ihnen allzu schamlose Ausbeutung von Arbeitskräften einen Imageschaden zufügt, und haben sich daher selbst Verhaltenskodizes auferlegt. Andere warnen vor der weltweiten Instabilität, die durch mangelnde Regulierung der internationalen Finanzflüsse entsteht.
Zu den bekannten Vorbehalten ist bei vielen Managern noch eine andere Sorge hinzugekommen: Überkapazitäten. Denn wenn – Stichwort Standortdebatte – ein globales Wettrennen um immer niedrigere Löhne in Gang kommt, dann steht die Industrie plötzlich vor einem Problem: Wer hat eigentlich noch Geld, um all die Autos oder Turnschuhe zu kaufen, die so kostengünstig über die Welt verteilt hergestellt werden? Im Interesse der Industrie sollte ein multilaterales Investitionsabkommen daher tunlichst Sozialstandards und Mindestlöhne enthalten. lieb
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