: Ab 2000 ohne Jelzin
■ Rußlands Präsident will nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidieren
Bei einem Treffen mit Vertretern der Massenmedien verlieh Boris Jelzin gestern Preise für hervorragende journalistische Leistungen. Nebenbei versicherte der russische Präsident, er denke gar nicht daran, im Jahre 2000 noch ein drittes Mal für sein jetziges Amt zu kandidieren. Er versicherte dies übrigens nicht zum ersten Male. Nicht gerade sensationell klang auch seine Begründung für soviel Enthaltsamkeit: er fühle sich der russischen Verfassung verpflichtet, die dem Präsidenten nur zwei Amtsperioden einräume. Trotzdem brachten alle Fernsehsender die Nachricht an erster Stelle.
Zum einen ist Jelzin in seinen bisherigen Äußerungen zum Thema nicht immer konsequent gewesen. Zum anderen haben manche russische Zeitungskommentatoren in letzter Zeit den Verdacht geäußert, außer dem Westen habe niemand mehr ein Interesse daran, daß in Rußland überhaupt noch Präsidentenwahlen stattfinden. Der brillante politische Hausastrologe der Moscow Times, Andrej Piontkowski, behauptete kürzlich, daß für diese These auch die Geheimnistuerei spräche, mit der Jelzins Umgebung eine täglich zu erwartende Botschaft des Präsidenten an die Nation umgibt.
Letztes Jahr war bei der Abfassung der Rede der nun teilgestürzte Reformer Anatoli Tschubais federführend gewesen. Diesmal ist es sein Nachfolger als Leiter der präsidialen Administration, Walentin Jumaschew. Jumaschew gilt als Protegé des Ex-Sicherheitsratssekretärs Boris Beresowski. Der und sechs andere Bankiers hatten 1996 Jelzins Wahlkampf finanziert, weil sie bei einem Sieg der Sjuganow-Kommunisten um ihre Pfründen fürchten mußten. In die Wahlschlacht stürzten sie sich erst, nachdem ihr Versuch gescheitert war, die Wahlen auf unabsehbare Zeit zu „verschieben“. Dazu und zur Bildung einer Regierung des nationalen Konsenses zwischen Jelzin und Sjuganow hatten zuvor dreizehn Financiers aufgerufen. Heute bilden die kommunistischen Führer mehr noch als vor zwei Jahren einen der privilegierten Clans im Lande. Und sie haben allen Grund, sich vor unvorhersagbaren Konkurrenten und somit vor Wahlen zu fürchten.
Mit seiner Erklärung hat Jelzin vor allem seine Entschlossenheit demonstriert, im Jahre 2000 überhaupt Präsidentenwahlen unter Einhaltung aller demokratischen Formalitäten zu befürworten. Gleichzeitig beschwichtigte er alle, die das Geld und die Medien in ihren Händen halten und auf dem Präsidententhron nichts weniger gebrauchen könnten als einen Sozialreformer aus dem Abseits. Boris Nikolajewitsch ließ durchblicken, daß er den Namen seines Nachfolgers im Kopf trage und ihn noch nicht verraten wolle. Im Klartext sollte dies bedeuten: Auch wenn die Jelzine gehen – die russische Gesellschaft bleibt bestehen. Barbara Kerneck
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