: 660 Besitzer, und kaum einer gratuliert
Die Moorburg – Symbol gegen die Hafenerweiterung – feiert Geburtstag ■ Von Heike Haarhoff
Ein Geburtstag in aller Stille. Nicht einmal die Junge Union hat gratuliert zum 16jährigen Bestehen der Moorburg. Rainer Böhrnsen sieht es den christlichen Nachwuchsdemokraten nach: „Wahrscheinlich“, überlegt der Betreiber des Tagungshauses Die Moorburg im gleichnamigen Stadtteil, „wissen die nicht mehr, daß ihnen ein Teil dieses Gebäudes gehört.“
Dabei war auch die Junge Union „aktiv dabei“, als sich am 1. Februar 1982 genau 660 Privatpersonen, Vereine und Bürgerinitiativen aufmachten, ihren „Coup“im Kampf gegen die Hafenerweiterung in Moorburg notariell beglaubigen zu lassen: Die Moorburg, ein zweistöckiges Bauernhaus aus dem vorigen Jahrhundert am Moorburger Kirchdeich 40, ging für 300.000 Mark in den Besitz von 660 Eignern über. Jeder von ihnen, darunter der heutige GAL-Fraktionsvize Martin Schmidt, die spätere SPD-Bundestagsabgeordnete Thea Bock, Buddhisten, Rechtsanwälte und ein solidarischer französischer Winzer, erwarb einen 500-Mark-Anteil: Sollte der SPD-Senat jemals den Stadtteil im Süderelberaum absiedeln wollen, müßte er zunächst gegen 660 Personen vor Gericht ziehen, um ein einziges Haus zu enteignen.
Der Senat tobte: Erst zwei Tage nach dem spektakulären Hauskauf trat sein Hafenentwicklungsgesetz in Kraft, das der Stadt bis heute bei allen Immobiliengeschäften im Hafengebiet das Vorkaufsrecht sichert. Aber auch die alteingesessenen Moorburger beäugten das basisdemokratische Projekt, „wo tagelang diskutiert wurde, in welcher Farbe die Tür zu streichen ist“, mit Skepsis. Heute dagegen ist Ruhe eingekehrt. Soziologe Böhrnsen ist der einzige, der sich noch um die 450 Quadratmeter Nutzfläche kümmert. „Das Projekt“, blickt er schmunzelnd zurück, „übte nur vorübergehend Anziehungskraft auf Leute aus, die irgendwie auf der Suche waren, aber eher therapeutische Hilfe gebraucht hätten.“
In jahrelanger, ehrenamtlicher Handwerker-Arbeit hat er das Gebäude zusammen mit einigen übriggebliebenen Engagierten in ein Tagungshaus umgebaut. „Aber seit der ABM-Bereich trockengelegt wurde“, klagt Böhrnsen, „kommen immer weniger“. Das Dach hat er zwar gerade neu gedeckt, die Außenwände gestrichen, aber innen bröckelt der Putz, wäre eine neue Spülmaschine dringend nötig. Nur: Wie bezahlen? „Ich konnte noch nie damit leben, daß sich die Szene aus Staatsgeldern finanziert.“
Auch aus dem Dorf Moorburg ist wenig Unterstützung zu erwarten: Zwar ist das Mißtrauen von einst weitestgehend weg. Aber zum Geburtstag schaut man dann doch lieber nicht vorbei. „Die alten Moorburger sind eingetreten in so was, was wir nicht Widerstand, aber 'ne andere Haltung gegenüber dem Staat nennen würden.“Am „Runden Tisch“, den Böhrnsen initiiert hat, wird beratschlagt, wie die Bestandsgarantie bis 2035, die der rot-grüne Senat dem Dorf jüngst bescherte, mit Leben gefüllt werden könnte. Wie vielleicht doch wieder Geschäfte angesiedelt werden könnten.
„In einer solchen Phase“, hofft die GAL-Fraktionschefin Antje Möller, könnte der Moorburg wieder größere Bedeutung zukommen – als Stadtteilzentrum, „das für Moorburg unverzichtbar ist“.
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