: Das war: Molto glissando
■ Werder Bremen schlägt Arminia Bielefeld im ersten Spiel nach der Pause mit 2:1
Was für eine Inszenierung! Dort der sangesfreudige Bielefelder Fanblock, eingepfercht bei 18-20, drüben die in grün-weiße Girlanden verpackte Ostkurve, getrennt durch eine prächtig ausgeleuchtete Nordseite. Welch ein Empfang für die Künstler! Die Bremer kennen die Nachnamen ihrer Stars auswendig, die Bielefelder nennen alle der Einfachheit halber „Arschloch“.
Doch was für ein Auftakt! Präludierendes Kräftemessen allenthalben. Viele Ballkontakte, zwei Freistöße, eine Ecke, eine Chance, viel Leerlauf, keine Glanzpunkte. Nach der quälend langen Ouvertüre entschließt sich Bagheri in der 24. Minute zum Distanzschuß. Bielefeld singt „Oh du fröhliche“, Ostkurve tacet (= schweigt). Versuchtes Dacapo zehn Minuten später. Reck schon außer Gefecht, Skripnik leistet Kopfarbeit. Am Rande: Flo läuft sich warm. Denen zeigen wir's jetzt aber. Gefummel vor dem Bielefelder Tor, Maximov trifft trotzdem (36'48“). Bielefeld tacet, Ostkurve vom Triumphmarsch übertönt.
Wie ausgewechselt die Partie nach der Pause – jetzt spielt Werder von links nach rechts. Block 18-20 und Ostkurve üben sich vor lauter Langeweile im gemeinschaftlichen Singen – ausbaufähig aber vielversprechend.
Ausgerechnet der Schweizer Neuzugang Kunz bestimmt den Tempowechsel. Er läuft zwar als erstes gleich ins Abseits, erzwingt jedoch bald darauf eine der wenigen Bremer Ecken. Brand gibt sie flach und kurz herein, Todt verlängert mit der Sohle, und Flo, seit knapp drei Minuten vom Aufwärmhüpfen erlöst, lupft den Ball hinein.
In Zeitlupe: Ecke – Hacke – Spitze – Tor (79.). Zwei Unachtsamkeiten, wie es der Bielefelder Trainer Middendorp nannte, doch ansonsten brilliert Schlußmann Koch durch unkonventionelle, wenngleich elegante Torvermeidungs-strategien. Mit dem Ball vor der Brust demonstriert er einbeinige Hüpfkunst auf der Sechzehnmeter-Linie.
Dem glücklosen Labbadia (glissandierender (= rutschender) Auftritt in der 50. Minute) vermasselt er mit einer gehechteten Luftgrätsche den schon bejubelten Treffer. Erleichterung in Block 18-20, der kurz zuvor mitansehen mußte, wie der Bielefelder Sturm von der wieder mal zu Boden gegangenen Verteidigung gebrochen wurde.
Der Unparteiische, Jürgen Jansen, war selbiges, zeigte ein paar Mal gelb, wies beide Trainer je einmal in die Schranken, stand gelegentlich im Weg und hatte einige Male den Platz überquert, als er die Rutschpartie mit einem mageren Schlußpfiff beendet.
In den Nebenrollen betraten dann noch diverse Sanitäter und ein Balljunge (plus Zweitball) den Platz, ohne nennenswerten Einfluß auf den Ausgang des Spiels.
26.000 Zuschauer (gefühlte 19.000) spenden etwas Beifall und verlassen den Ort schnell für ein wärmendes Bier. Das nächste Spiel ist wieder das Schwierigste.
Imke Turner und Jürgen Brüggebors, Musikredakteure bei Radio Bremen 2
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