■ Dialog der Kulturen: Auch Irans „liberaler“ Präsident Chatami wird am totalitären Charakter der islamischen Republik nichts ändern
: Religiös legitimierte Tyrannei

Gestern wurde der 19. Jahrestag der islamischen Republik mit militärischen Aufmärschen gefeiert. Mit der Revolution wurde im Iran eine theokratische Diktatur, eine Spielart totalitärer Despotien des 20.Jahrhunderts, errichtet. Auch Präsident Chatami, den viele im Westen gerne als „liberal“ sehen würden, wird die Fundamente der islamischen Republik nicht in Frage stellen.

Weder die Freilassung von Faradsch Sarkuhi noch Chatamis Angebot eines „Dialogs der Kulturen“ via CNN sowie einige Neuerscheinungen loyalistischer Zeitungen sind Anzeichen eines Tauwetters, sondern Ausdruck des neuen Selbstbewußtseins der Mullahs infolge der islamischen Weltkonferenz in Teheran. Die Verurteilung eines deutschen Geschäftsmanns, der wegen einer sexuellen Beziehung zu einer Muslimin gesteinigt werden soll, ist nicht der einzige Beleg, daß sich an der totalitären Struktur des Systems auch unter Chatami nichts ändern wird.

Bei den Hoffnungen, die im Westen mit dem Namen Chatami verbunden werden, wird vergessen, daß der Mann als Kulturminister an den Säuberungen der Universitäten, der Zerschlagung der säkularen Opposition, der Verfolgung von nichtanerkannten religiösen Minderheiten und der Islamisierung der Gesellschaft an exponierter Stelle mitgewirkt hat.

Im „Dialog der Kulturen“ wird unter gleichen Begriffen sehr Unterschiedliches verstanden. Zum Beispiel unterscheidet sich die Auffassung der Mullahs, was Frieden und Terrorismus bedeutet, fundamental von dem, was der Westen darunter versteht. Im Iran werden Interpretationen der Gesetze und des Weltgeschehens aus dem Koran abgeleitet. Die Folge: Die iranischen Mullahs interpretieren Universalismus und Menschenrechte anders als die UN- Menschenrechtscharta. Es geht ihnen nicht um das individuelle Recht auf Meinungs- und Glaubensfreiheit, sondern um per Verfassung legitimiertes staatliches Verbrechen des aggressiven politischen Islam. Das freie Individuum und das Subjektivitätsprinzip ist für sie unvereinbar mit dem vermeintlichen „Willen Allahs“.

Der religiöse Führer Chamenei beansprucht, der Stellvertreter Gottes auf der Erde zu sein. Meinungsunterschiede unter den Mullahs gibt es lediglich über die Frage der geeigneten Person, die ein solches religiöses Amt bekleiden darf. Aber über den Glauben, daß eine solche Instanz Gottes Herrschaft im Iran gleichkommt, sind sich die „liberalen“ und die „konservativen“ Chomeinisten sehr wohl einig. Einig sind sie sich auch, wer die teuflischen Mächte sind, mit denen sie notfalls auch diskutieren, falls das der Stabilisierung der Herrschaft dient.

Ein frühes Beispiel eines Paktes mit dem Teufel war der Iran-Contra-Skandal im Jahre 1984/85. Damals hatte Chomeini Ronald Reagan einen „political discourse“ angeboten, eine frühe Spielart des „Kritischen Dialogs“. Chatamis Angebot eines „Dialogs der Kulturen“ folgt dieser Logik. Nach 19 Jahren despotischer Herrschaft hat der diskrete Charme der Inquisition abgenommen. Das Mullahregime braucht Geld, um seine Terrorherrschaft aufrechtzuerhalten. Chatami vertritt auch die Interessen der besonders radikalen Islamisten, wenn er die Islamische Republik auf dem Parkett der Weltpolitik hoffähig macht. Mit seinem CNN-Auftritt übernimmt er die Rolle des TV-Mullahs und Weltenpredigers. Er versucht die Embargopolitik der USA aufzuweichen, denn die Mullahherrschaft kann auf Dauer nur durch wirtschaftliche Beziehungen mit dem Ausland stabilisiert werden. Zwar schlug der ehemalige Oberzensor Chatami dem großen Feind USA einen Kulturaustausch auf allen relevanten Ebenen vor, Satellitenschüsseln, die einen freien Zugang zu Informationen ermöglichen würden, bleiben allerdings weiterhin verboten.

Bei seinem Dialogangebot forderte Chatami gleichzeitig die Anerkennung der „großen iranischen Nation“ durch den Westen. Er verlangt damit nichts Geringeres, als die kritiklose Hinnahme Tausender von Hinrichtungen, Steinigungen, Zwangsverschleierung, Vielehe und Zeitehe, das Recht eines Muslims, einen Menschen umzubringen, der kein Muslim mehr sein will, das Recht des Vaters, seine Kinder umzubringen, falls eine Abweichung vom islamischen Gesetz vorliegt.

So bezeichnete der iranische Beauftragte für islamische Menschenrechtsfragen, Mohammad Hassan Siaifar, den Inhalt des neuesten UN-Berichts zum Iran als falsch, weil er die „Identität des islamischen Volkes“ nicht verstehe und folglich keine „gesetzliche Berechtigung“ habe. Auch in der Haltung gegenüber Israel weicht Chatami nicht von der vorgegebenen Linie ab. Während er betonte, daß der Friedensprozeß im Nahen Osten scheitern müsse, weil „US- Politiker den israelischen Staatsterrorismus unterstützen“, sagte der „liberale“ Rafsandschani zum Ende des Ramadans: „Wir betrachten den Staat Israel weiterhin als eine alte, nicht heilbare Wunde im Körper des Islam, eine Wunde, die wirklich dämonisches, stinkendes und ansteckendes Blut hat.“ Auch rief er zur Solidarität mit Roger Garaudy auf, den er als einen „Held der islamischen Welt“ bezeichnete. Garaudy steht derzeit in Paris vor Gericht, weil er den Völkermord an Juden geleugnet hat. Und Präsident Chatami ergänzt, daß „immer noch die westlichen Regierungen keine Widerrede ertragen können, die sich gegen ihre Interessen richtet. Ein Wissenschaftler (Garaudy) habe ein Buch über die Zionisten geschrieben, das dem Westen nicht gefällt, und deswegen verurteilen sie ihn.“

Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte werden von den Mullahs für Propagandazwecke instrumentalisiert, umdefiniert, islamisiert und damit ausgehöhlt und so ihres Wesensgehaltes beraubt. Die Trennung von Staat und Gesellschaft und die individuelle Freiheit von Citoyens gehören zu den Grundvoraussetzungen einer Zivilgesellschaft. Sie sind mit der absoluten Herrschaft der Geistlichkeit in der islamischen Republik inkompatibel. Chomeinistische Tyrannei sollte genausowenig wie die stalinistische und hitleristische Tyrannei von zivilisationsüberdrüssigen Kulturrelativisten verharmlost werden. Nur Appeasementstrategen und die ideologischen Demagogen der islamischen Republik mögen heute von einer „islamischen Demokratie“ im Iran sprechen.

Es ist eine Frage der Zeit, wann die verantwortlichen Mullahs wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran von einem internationalen Gericht verurteilt werden. Wahied Wahdathagh