: Briten eröffnen Pharmarennen
■ Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham wollen zum größten Konzern fusionieren
London/Berlin (dpa/rtr/taz) – Die britischen Pharmakonzerne Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham verhandeln über die Bildung des größten Pharmaunternehmens der Welt. Nachdem am Freitag die New Yorker Börse geschlossen hatte, gaben sie bekannt, fusionieren zu wollen. SmithKline hatte zuvor mindestens zwei Monate mit dem US-Konzern American Home Products über einen Zusammenschluß verhandelt, konnte sich jedoch nicht einigen, teilte das britische Unternehmen mit. Die neuen Fusionspläne sind in britischen Finanzkreisen begrüßt worden. Gewerkschaften äußerten Sorge, daß allein in Großbritannien zehntausend Arbeitsplätze verlorengehen könnten. Auf jeden Fall wird die britische Fusion die Zusammenschlüsse in der Pharma- Sparte auch in Deutschland anheizen.
Das geplante neue Unternehmen hätte einen Marktwert von etwa 100 Milliarden Pfund (300 Milliarden Mark). Es wäre damit hinter General Electric und Royal Dutch Shell weltweit die drittgrößte Gesellschaft. Im Pharma- Bereich würde es mit großem Abstand vor Merck (USA) und Novartis (Schweiz) rangieren. Bei einem Umsatz von 28 Milliarden Pfund hielte das neue Unternehmen 10 Prozent des Marktes für verschreibungspflichtige Medikamente.
Beim Zusammengehen beider Konzerne mit derzeit 106.000 Mitarbeitern weltweit würde das größte Forschungs- und Entwicklungszentrum der Welt für die Gesundheitsfürsorge geschaffen, betonten die Firmen. Die Absicht, ein solches Zentrum in Großbritannien zu bilden, sei auch die treibende Kraft für die Aufnahme der Gespräche gewesen. Der gemeinsame Etat für Forschung und Entwicklung ist nach Ansicht eines amerikanischen Pharma-Analysten von keinem anderen Konzern zu überbieten. Das fusionierte Unternehmen hätte ein Forschungsbudget von rund 3 Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Mark). Der Schweizer Pharma-Riese Novartis verfügt über Forschungsgelder von 1,9 Milliarden Dollar, der US- Konzern Merck investiert 1,5 Milliarden Dollar in die Forschung. Die neue Nummer eins im Pharma-Sektor kann jeder neuen Technologie und jeder neuen Therapiemethode nachgehen, sagte der Pharma-Spezialist.
Nach Firmenangaben soll Glaxo 59,5 Prozent der neuen Gesellschaft halten, SmithKline den Rest. Glaxo-Chef Richard Sykes soll an der Spitze des Konzerns stehen. Die Fusion bedarf noch der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden Großbritanniens und der Europäischen Union. Analysten erwarten jedoch Zustimmung. Roger Lyons, Generalsekretär der Pharma-Gewerkschaft MSF, forderte die Industrieministerin Margaret Beckett auf, die Genehmigung zu verweigern. Er halte es für möglich, daß bei der beabsichtigten Kosteneinsparung von einer Milliarde Pfund etwa die Hälfte der 22.000 britischen Beschäftigten ihren Arbeitsplatz verlieren. Glaxo Wellcome ist vor drei Jahren entstanden, als Glaxo für neun Milliarden Pfund den britischen Rivalen Wellcome aufkaufte. Damals gingen 7.500 Arbeitsplätze verloren. SmithKline Beecham entstand 1989 durch die Fusion der SmithKline Beckman und der Beecham Group. Dabei fielen 9.000 Arbeitsplätze weg. Zu den wichtigsten Produkten von Glaxo Wellcome gehören Zandrac zur Bekämpfung von Geschwüren und das in der Aids-Bekämpfung benutzte Mittel AZT. Zur Produktpalette von SmithKline Beecham zählen vor allem Paxil gegen Depressionen sowie die Zahnpasta Aquafresh und das Hilfsmittel Nicoderm zum Abgewöhnen des Rauchens.
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