piwik no script img

Der Große Lauschangriff stürzt womöglich die Regierungskoalition in Bremen in die Krise. Gestern schaffte es Bürgermeister Scherf (SPD) nicht, sich im Vorfeld der Abstimmung der Länder im Bundesrat am Freitag mit der CDU über den Bundestags

Der Große Lauschangriff stürzt womöglich die Regierungskoalition in Bremen in die Krise. Gestern schaffte es Bürgermeister Scherf (SPD) nicht, sich im Vorfeld der Abstimmung der Länder im Bundesrat am Freitag mit der CDU über den Bundestagskompromiß zu verständigen.

Alles lauscht gespannt nach Bremen

Nur 17 Minuten dauerte gestern die Sitzung des Senats über das Abstimmungsverhalten Bremens im Bundesrat am kommenden Freitag. Kurz darauf verließ Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf (SPD) den Sitzungssaal im ersten Stock des Bremer Rathauses. Wortlos eilte er mit großen Schritten durch die Halle an den Journalisten vorbei in sein Dienstzimmer und schlug die Tür zu.

SPD und CDU konnten sich gestern nicht über das Votum im Bundesrat zum Großen Lauschangriff einigen. Scherf will die geplante Gesetzesänderung zum Großen Lauschangriff nachbessern, um Ärzte, Anwälte und Journalisten vor Abhörmaßnahmen zu schützen. Er hat angeboten, der Grundgesetzänderung zuzustimmen, wenn der Mitte Januar im Bundestag gefundene Kompromiß nachgebessert wird.

Für die Bremer CDU ist der gefundene Kompromiß, der auch das Abhören von Arztpraxen, Anwaltsbüros und Redaktionen erlaubt, allerdings ohnhin nur der „Minimalkonsens“. Scherf will jetzt versuchen, eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu bekommen. Damit steckt die Große Koalition in Bremen in der Krise. Jetzt soll der Koalitionsausschuß, der am Donnerstag in der Bremer Landesvertretung in Bonn tagt, Klarheit schaffen. Wenn sich CDU und SPD nicht einigen können, muß sich Bremen am Freitag im Bundesrat laut Koalitionsvertrag enthalten.

Sollte es Scherf nicht gelingen, die erforderliche Mehrheit unter den SPD-Ländern für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zusammenzubekommen, wird die Bremer CDU ihm nicht aus der Klemme helfen. „Die Bremer CDU hätte dann die merkwürdige Rolle, die Brücke zu bauen über den Graben zwischen SPD-Ländern“, sagte Bremens zweiter Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) auf der anschließenden Pressekonferenz. Darauf werde sich die CDU nicht einlassen, betonte er. „Für mich ist jede Nachbesserung eine Verschlechterung.“ Es wäre eine „extreme Belastung“ für die Große Koalition, wenn der Große Lauschangriff durch das Votum Bremens scheitern würde. Selbst die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei für ihn „eine Zumutung. Ich setze auf die Große Koalition und auf die nicht so ganz evidente Vernunft des Bürgermeisters“, sagte Perschau. Gleichwohl bezeichnete er die Arbeit der Großen Koalition in Bremen als „erfolgreich“.

Aus gutem Grund. Die CDU kann das Bündnis mit der SPD nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. CDU und SPD haben in der Bürgerschaft je 37 Sitze. Die Wählergemeinschaft Arbeit für Bremen (AfB), mit der die CDU stets als Koalitionspartner geliebäugelt hat, ist mit ihren zwölf Sitzen zu schwach. Außerdem ist nicht sicher, daß die AfB bei der nächsten Wahl die Fünfprozenthürde schafft. Die FDP gehört schon seit der letzten Wahl im Mai 1995 nicht mehr dem Landesparlament an. Bei Neuwahlen hätte die CDU allerdings ein zugkräftiges Wahlkampfthema: die Innere Sicherheit. Kerstin Schneider, Bremen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen