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Wenn Biedermänner schlachten

■ Sönke Wortmann schminkt in seiner Verfilmung von Der Campus die Uni zur Edel-Penne

Zu den Tönen von „In The Ghetto“erleuchtet das Hauptgebäude der Hamburger Uni im Glanz der Sonne auf der Leinwand. Geschäftige Idylle im vermeintlichen Dienst der Lehre, der Bildung und der Wissenschaft. Doch das farbenfrohe Ghetto entpuppt sich schnell als sumpfiger Morast, in den der Soziologie-Professor Hanno Hackmann immer tiefer sinkt. Kollegen, Journalisten, Politiker und die Frauenbeauftragte stoßen ihn für ihre eigenen Vorteile sogar noch tiefer in das zerstörerische Uni-Moor, das der Hamburger Anglistik-Professor Dietrich Schwanitz 1995 in Der Campus süffisant porträtierte.

Den Roman vom universitären Cliquen-Filz las Regisseur Sönke Wortmann (Der bewegte Mann) an einem Tag und einer Nacht, entschied sich sofort zu einer Verfilmung und grübelte zwei Jahre über der Umsetzung. Im vergangenen Sommer schließlich wurde das acht Millionen Mark teure Projekt in Hamburg realisiert. Wortmann hat versucht, aus dem bissig-ironischen Bestseller – was sonst – eine „Gesellschaftskomödie“zu machen. Darauf deuten schon die Gesichter aus den Filmen Rossini, Nach fünf im Urwald und Das Superweib hin: u.a. Axel Milberg, Sibylle Canonica und Armin Rohde.

Der unfreiwilligen Komik des tölpelhaften Opfers Hanno Hackmann, gespielt von Heiner Lauterbach, wird in der Verfilmung denn auch viel Platz eingeräumt. Hackmann ist wahrhaftig einer jener Typen, die in der Schießbude aus Versehen den Besitzer erschießen, wie ihm im Film unverblühmt mitgeteilt wird. Als er die Affäre mit einer Studentin beenden will, wird er durch eine Melange aus überzogener Political Correctness, Mobbing und Intrigen als Vergewaltiger verstoßen. Der Uni-Präsident höchstpersönlich ruft zu Hackmanns „öffentlicher Schlachtung“auf, da dieser eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl erwägt. Schließlich findet sich Hackmann auf den Titelseiten aller Zeitungen – auch einer fingierten Ausgabe der taz hamburg – wieder.

Vergessen sind alle Machkämpfe in Wirtschaft und Politik. Auf dem Campus, so die Moral von Schwanitz' und Wortmanns Kooperation, liefert jeder kluge Kopf den anderen schon für ein paar zusätzliche Quadratmeter Bürofläche ans geschliffene Messer. Hier wird Wahrheit solange retuschiert, verdreht und neu erfunden, bis niemand mehr weiß, was wirklich passiert ist. Interessieren tut das in dem Streifen ohnehin niemanden. Auch nicht deren Macher?

Nach den Studentenprotesten des vergangenen Jahres wirkt das geschönte Universitätsbild, das Wortmann und Schwanitz übermitteln, grotesk: Im Campus gibt es keine überfüllten, verkommenen Hörsäle, sondern eindrucksvolle Kulissen wie das Museum für Völkerkunde und das Rathaus. Für eine authentische Skizze läßt die unterhaltsame, aber im Film recht klobige Story keinen Raum.

Wo sich im Roman behutsam ein für Hackmann tödliches Gewitter zusammenbraut, kommt im Film der Blitz schon mit dem Donner. Viele liebevolle Seitenhiebe mußten weichen, um die verworrenen Interessenkonflikte der karikierten Charaktere deutlich zu machen. So geriet aus der biederen Vorlage eine sehenswerte, noch biederere Komödie, die dem filigranen Original – was in der Natur der Dinge liegt – nicht gerecht wird: ein grobkörniger Abzug eines detailreichen, scharfen Negativs.Timo Hoffmann

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