Von Markus Wolf bis Inge Meysel

■ Die PDS sucht – und findet keinen Kandidaten für die Bundestagswahl im Berliner Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg. Reihenweise winken Promis ab

Berlin (taz) – Günter Nooke läßt das völlig kalt. „Mir ist egal, wen die PDS da aufstellt“, sagt der CDU-Politiker, der im Bundestagswahlkreis 249 (Berlin-Mitte/ Prenzlauer Berg) als Direktkandidat seiner Partei antritt. „Sollen sie Markus Wolf nehmen – das hätte wenigstens was.“

André Brie, der Wahlkampfleiter der PDS, kann darüber im Moment überhaupt nicht lachen. Er hat keinen Markus Wolf, er hat nicht mal eine Inge Meysel. Er hat auch keine Daniela Dahn, keinen Gregor Gysi, keine Petra Pau, keine Angela Marquardt, keinen Thomas Ebermann und wie sie alle heißen, die in den letzten Monaten in der Gerüchteküche als PDS- Kandidaten für den Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg gehandelt wurden. Und jetzt ist auch noch Herr Unbekannt abgesprungen. Am Dienstag wollte André Brie ins Flugzeug steigen, um alles klarzumachen – am Montag nachmittag erhielt er von dem sicher geglaubten Kandidaten eine Absage. „Jetzt fangen wir wieder bei Null an“, sagt der frustrierte Wahlkampfchef. Den Namen des großen Unbekannten will Brie nicht preisgeben, nur eines ist sicher: Der Mann kommt aus Westdeutschland.

Für die Partei ist diese Absage ein Rückschlag – aber nicht etwa deswegen, weil von dem symbolisch überfrachteten Wahlkreis in der Mitte der Hauptstadt das Überleben der PDS im Bundestag abhinge. In den anderen vier Ostberliner Wahlkreisen werden der Partei inzwischen bessere Chancen eingeräumt, ein Direktmandat zu gewinnen. Drei Direktmandate braucht die PDS, um erneut in den Bundestag einzuziehen – sofern sie an der Fünfprozenthürde scheitert. Die Absage offenbart vielmehr die Schwierigkeiten der PDS, prominente Linke an die Partei zu binden. „Die meisten, die in Frage kommen und das auch ernsthaft überlegen“, räumt André Brie ein, „haben einfach zu viel verlieren: Beruf, Freunde, Familie.“

Hinter diesen Problemen steckt auch das Eingeständnis der Parteispitze, den Coup von 1994 nicht wiederholen zu können. Damals war der Schriftsteller Stefan Heym für die PDS angetreten – und hatte dem SPD-Politiker Wolfgang Thierse den Wahlkreis Mitte/ Prenzlauer Berg abgenommen. Ein Jahr später gab Heym sein Mandat zurück. Würde die PDS heute einen solchen Prominenten jenseits von Gut und Böse präsentieren, geriete er in den Verdacht, nichts zu wollen – außer das Bundestagsmandat. „Wir brauchen Leute, die kompetent sind und aktiv im sozialen Leben stehen“, sagt der PDS-Wahlkampfchef. Vor allem im Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg. Hier kommt es, wie die Medien gerne übertreiben, zum Showdown zwischen den Politpromis Wolfgang Thierse (SPD), Marianne Birthler (Grüne) und Günter Nooke (CDU) sowie Herr oder Frau Unbekannt. – Auch über diesen Wahlkreis hinaus sucht die PDS prominente Unterstützung, vor allem im Westen. Wie die taz erfuhr, bemüht sich die Parteiführung darum, linke Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Uni-Professoren für einen gemeinsamen Appell zu gewinnen. In ihm soll dazu aufgerufen werden, die PDS als linke Opposition 1998 in den Bundestag zu wählen.

Zu den Unterstützern gehört unter anderem Dieter Dehm, linker SPD-Politiker aus Frankfurt/ Main und früherer Manager von Katarina Witt. Dehm möchte sich sein Engagement allerdings versüßen lassen – mit einem sicheren PDS-Listenplatz für den Bundestag.

Der Überraschungscoup des Sozialdemokraten könnte allerdings ein anderes Signal aussenden: Dehm hat sieben Jahre lang als IM für die Stasi gearbeitet. Jens König