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Hinter den Kulissen„Warum sieht man die Studenten nicht in den Konzerten?“

■ Vermieterin mit eigenen Ideen: Ilona Schmiel, die neue Geschäftsführerin der Glocke, über ihre Pläne

Unmöglich für die Verantwortlichen der Bremer „Glocke GmbH“, an dieser Bewerbung vorbeizugehen: Ilona Schmiel, lasen sie, dreißig Jahre alt, abgeschlossenes Schulmusikstudium, abgeschlossenes Blockflötenstudium, abgeschlossenes Studium der Altphilologie. Dazu Studium des Kulturmanagements an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Managments von Projekten seit der Studienzeit, Einsatzleiterin an Messeständen, Kulturmanagementstipendium in Norwegen, wo sie eine Marketingstudie über Folkmusik geschrieben hat. Zuletzt arbeitete sie mehrere Jahre bei Rafael Concerts in Bad Mergentheim Seit wenigen Wochen führt die 30jährige in der Nachfolge von Andreas Schulz die Geschäfte des Konzerthauses Glocke. In ihrem neuen Arbeitsdomizil äußerte sie sich erstmals über ihre Pläne.

taz: Sie sind als Musikerin ins Kulturmanagement gewechselt. Erklären Sie mir, warum?

Ilona Schmiel: Als ich diesen Job in Mergentheim angenommen habe, haben alle aufgeschrien: Wie kannst Du nur? Aber mir hat das Musikmachen von Anfang an nicht gereicht. Ich wollte noch etwas anderes richtig lernen, und diese Organisationsstrukturen finde ich unglaublich reizvoll. Mit einem festen Team von vieren ein Klima schaffen, in dem 60 Leute arbeiten, während dann im Endprodukt über 300 Personen beschäftigt sind. Außerdem ist da der Umgang mit den Mentalitäten – es gibt für mich nichts Schöneres.

Das ist noch nicht genug Substanz für eine Topkarriere, wie Sie sie jetzt machen. Können Sie noch etwas mehr zu dem – vielleicht auch psychologischen – Motiv und dem Motor in Ihnen sagen?

Mir hat von Anfang an Breite gefehlt, Interdisziplinarität. Die Berührungsängste zwischen den Fachbereichen sind unbeschreiblich, das Musikstudium ist ja ein Elfenbeinturm par exellence. Schon als Studentin versuchte ich, Konzerte zu organisieren. Über das Machen hinaus habe ich mich inmmer gefragt, wo geht das eigentlich hin, was wir tun? Ich war damit aber immer ein Außenseiter und Einzelkämpfer.

Wo und wie tanken Sie neue Kraft?

Ich sagte Ihnen ja schon, es gibt für mich nichts Schöneres, als das Aufeinandertreffen dieser so unglaublich verschiedenen Menschen zu organisieren und Musik überall möglich zu machen. Aber ich tanze Ballett.

Die Geschäftsführung der Glocke ist in erster Linie die Vermietung der Säle. Trotzdem hat Ihr Vorgänger Andreas Schulz eigene Ambitionen gehabt. Er hat die Reihe „Glocke Vokal“ins Leben gerufen  ...

„Glocke Vokal“geht auch bei mir weiter. Das läuft noch nicht gut genug, aber ich denke, da muß man einen langen Atem haben, man muß sich sofort den Nachwuchs der großen Wettbewerbe sichern. Und ich möchte in dieser Reihe auch Neue Musik machen, zum Beispiel einen Aribert-Reimann-Zyklus. Ich plane da auch eine Kooperation mit Vera van Hazebrouck in Düsseldorf oder mit Andreas Schulz in Leipzig. Dann habe ich Interesse, qualifizierten Jazz in die Glocke zu bringen und auf der Publikumsebene sehr viel in die Jugendarbeit zu investieren. Generell ist das Publikum in Bremen völlig überaltert. Einige Fußminuten von hier gibt es doch eine Musikhochschule – warum sieht man die Studenten nicht in den Konzerten? Ich bin oft entsetzt, wie wenig diese Zeit genutzt wird: Das Studium ist doch ein fantastischer Luxus.

Wie gefällt Ihnen Bremen?

Eine schöne, liebenswerte Stadt. Man spürt überall so viel Tradition. Aber irgendwie – die Bremer wissen nicht, was sie haben. Wenn man hier etwas will, heißt es schnell, das geht nicht, das war noch nie so, das ist zu schwierig. Ich bin überzeugt, mit meiner Hausentwicklung dagegen anzukommen. Man muß eben allen gerecht werden, die Flexibilität, die hier verlangt ist, ist viel größer als in der Wirtschaft. Wir müssen neben den Programmen perfekten Service bieten, die Atmosphäre des Konzertempfanges muß höchstes Niveau haben. Da ist viel zu tun, aber wir haben mit dem tollen Glocke-Team die besten Voraussetzungen.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

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