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■ QuerspalteKein Krieg in der Werbepause

Ein Angriff auf den Irak wird in den kommenden zwei Wochen nicht stattfinden, berichtet die New York Times. Nicht Kanzler Kohl, die europäischen Alliierten, Boris Jelzin oder etwa die Friedensbewegung haben die US-Flugzeuge im Anflug gestoppt. Es waren Besuche in Clintons Schlafzimmer.

Nein, nein, nicht, was sie denken. Diesmal ist es wirklich obszön. Es waren Medienkönige aus New York und Konsumgewaltige aus Atlanta, denen Clinton mit einer Übernachtung im Weißen Haus schon einmal eine Freude gemacht hatte. In der vergangenen Woche riefen die alten Bettfellows wieder an. Der Präsident möge doch bitte während der Olympiade in Nagano von Bombardements im Irak absehen. Solche Bombenabwürfe seien nicht nur gegen den olympischen Geist, sie würden auch die ganz schöne Olympiastimmung vor den US-Fernsehern verderben. Ledernacken und bombardierte irakische Städte statt zierlicher US-Schlittschuhläuferinnen und Coca-Cola trinkender Athlethen in Kodacolor – den Marketingstrategen beim weltgrößten Getränkekonzern sträubten sich die Nackenhaare. Dafür hatten sie ihre Millionen nicht ausgegeben, waren sie nicht Partner der Olympiade geworden.

Auch die Fernsehgewaltigen von CBS bekamen Nervenflattern. 375 Millionen Dollar haben sie für die Fernsehrechte der Olympiade und noch einmal 125 Millionen Dollar für Sendekosten und Marketing ausgegeben. Millionen von zusätzlichen Zuschauern hatten sie den Werbekunden versprochen. Wenn jetzt Bomben auf Irak fallen, alle Welt wieder zu CNN zappt... Nicht auszudenken. Regreßforderungen der Werbekunden wären die Folge.

Das alles hat man Freund Bill im Weißen Haus mitgeteilt und gleich hinterhergeschickt, daß Olympiapartner UPS die Regreßforderungen kostenlos an das Pentagon weiterleiten werde. Der Präsident hatte ein Einsehen und verschob die Angriffe. Jetzt wird gesendet für den Frieden. Hermann-Josef Tenhagen

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