: „Wir brauchen einen Vermittler von außen“
■ Der algerische Oppositionelle Ahmed Djeddai über einen Weg zur Beendigung des Bürgerkriegs
Ahmed Djeddai (43) ist Generalsekretär der größten legalen algerischen Oppositionspartei, der Front der Sozialistischen Kräfte (FFS). Er ist einer der Gesprächspartner der Europaparlamentarier, die sich derzeit in Algerien aufhalten, darunter der Bündnisgrüne Daniel Cohn-Bendit.
taz: Welche Wünsche haben Sie den Europaparlamentariern unterbreitet?
Ahmed Djeddai: Die EU muß mit einer einzigen Stimme sprechen, wenn es um Algerien geht. Die verschiedenen Mitgliedsländer und Institutionen müssen eine gemeinsame Strategie entwickeln, um die algerische Regierung zur Beachtung der Menschenrechte zu bewegen. Wir erwarten, daß sich Europa für eine politische Lösung des Konfliktes stark macht. Wir brauchen einen Vermittler von außen, um zum Frieden zurückzufinden. Alle inneralgerischen Ansätze sind erschöpft. Und Europa muß Algeriens Regierung davon überzeugen, humanitäre Hilfe für Überlebende von Massakern anzunehmen.
Sie haben eine alte Forderung Ihrer Partei vergessen: die Einrichtung eines internationalen Ausschusses zur Untersuchung der Massaker.
Daran halten wir weiter fest.
Außenminister Attaf sagt: „Wir Algerier wissen, wer wen tötet.“?
Der Satz von Attaf ist falsch. Wir wissen, wer getötet wird, aber manchmal nicht, wer tötet. Auch wenn wir sicher sind, daß die meisten Überfälle und Attentate den Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) zuzuschreiben sind, wüßten wir trotzdem gerne, warum die Kommandos ungestört stundenlang nur wenige Meter von Kasernen entfernt morden können. Und warum können sie danach unbehelligt abziehen? Außerdem dürfen wir die staatliche Gewalt nicht vergessen: Folter, systematisches Verschwindenlassen, Massenerschießungen und Bombardierungen von ganzen Landstrichen mit Napalm. In jedem einzelnen Fall eines Massakers oder von sonstigen Menschenrechtsverletzungen müssen die Täter und Hintermänner von einer unabhängigen, internationalen Untersuchungskommission ermittelt werden.
Für die Regierung wäre das eine ungerechtfertigte Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Algeriens.
Wo gibt es denn so etwas, daß die Souveränität eines Staates die Souveränität des Volkes nicht einschließt. Ist es etwa mit der Souveränität zu vereinbaren, daß täglich Menschen sterben, ohne daß die staatlichen Sicherheitskräfte sie schützen? Die FFS steht im Parlament mit der Forderung nach einer internationalen Untersuchung alleine da, aber weite Teile der Bevölkerung unterstützen uns dabei.
Versprechen Sie sich von der EU-Parlamentsdelegation mehr als von der EU-Troika?
Leider hat der Troika-Besuch zu nichts geführt. Die drei Staatssekretäre haben das Diktat der algerischen Regierung voll akzeptiert. Wir hoffen, daß die Europaparlamentarier etwas mehr Mut beweisen, sich freier bewegen und sich auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft treffen. Doch schon die Tatsache, daß die beiden Delegationen zustande gekommen sind und die Regierung sie hat einreisen lassen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer internationalen Lösung der algerischen Krise. Interview: Reiner Wandler, Algier
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