„Eines Tages werden wir Frieden haben“

■ David Ervine, 44, Chef der loyalistischen Progressive Unionist Party (PUP), über den Friedensprozeß

taz: Die Nordirland-Friedensgespräche stecken in der Krise. Was ist, wenn die Verhandlungen zusammenbrechen?

David Ervine: Eine Alternative zum Frieden ist undenkbar. Wo Gewalt herrscht, gibt es keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Vielleicht kann man den Konflikt nicht wirklich lösen, aber man kann ihn von einem gewaltsamen zu einem politischen Konflikt transformieren.

So wie Sie? Sie haben noch vor kurzer Zeit selbst mit der Waffe gekämpft. Warum?

Ich bin mit neunzehn in die Ulster Volunteer Force (UVF) eingetreten, weil unsere Gesellschaft damals von der IRA belagert wurde, die unsere Leute tötete und verletzte. Ich fand, daß Angriff die beste Verteidigung war. Als ich 21 war, wurde ich mit Sprengstoff erwischt und acht Jahre in Long Kesh eingesperrt.

Wenn Sie nicht erwischt worden wären, hätten Sie dann irgendwann getötet?

UVF war eine Tötungsmaschine. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Wie kam der Wandel zum Politiker zustande?

Ich kam im Gefängnis zu der Analyse, daß die protestantische Arbeiterklasse überhaupt nicht repräsentiert war. Die unionistischen Politiker, die uns vertreten sollten, waren lächerlich. Da beschlossen wir, für uns selbst zu sprechen.

Zurück zu den derzeitigen Gesprächen: Glauben Sie denn noch an den Friedensprozeß?

Mein Optimismus ist nicht erschüttert. Eines Tages werden wir Frieden haben, aber er wird nur durch Verhandlungen kommen. Die Menschen wollen Frieden, und meine Aufgabe als Politiker ist es, dafür zu sorgen.

Aber genau das scheint nicht möglich zu sein.

Es gibt auf beiden Seiten Menschen, die Angst vor Veränderungen, Angst vor der Zukunft haben. Wir sind eine winzige, gespaltene Gesellschaft. Die beiden Bevölkerungsgruppen kennen sich ja gar nicht. Wir werden in verschiedenen Krankenhäusern geboren, besuchen verschiedene Schulen, wohnen in verschiedenen Vierteln und werden auf verschiedenen Friedhöfen begraben. Wir brauchen Institutionen, um Vertrauen aufzubauen.

Werden Ihre beiden Söhne in die Politik einsteigen?

Das ist ihre eigene Entscheidung. Der Preis ist hoch. Ich habe 19 Morddrohungen von beiden Seiten erhalten, ich wohne hinter Panzerglas. Alles, damit meine Söhne das nicht machen müssen. Wir dürfen unsere Verantwortung nicht auf unsere Kinder schieben. Das ist es, was an diesem Land faul ist: Immer ist jemand anderes schuld. Interview: Ralf Sotscheck