„Wir können keine Weicheier brauchen“

■  St. Paulis Neu-Coach Gerhard Kleppinger vor Rückrundenstart über Aufstieg und Schlafmützen

Zwei, drei Jahre wollte Gerhard Kleppinger (39) im Profibereich als Co-Trainer arbeiten, um dann Chef-Coach zu werden. Doch dann ging alles viel schneller. „Ich habe in diesem halben Jahr viel beim FC St. Pauli erlebt“, sagt der 287fache Bundesligaspieler über seine erste Station im Berufsfußball. Vom Assistenten zum Boß mit einem Vertrag bis 1999: Die Entlassung von Eckhard Krautzun machte es möglich – und sieben Punkte aus drei Spielen vor der Winterpause. Zu den Aufstiegsfavoriten zählt der Darmstädter seine derzeit auf Rang 7 plazierte Mannschaft allerdings nicht: „Freiburg, Gütersloh und Uerdingen packen es“, meint der erste FC-Coach seit langer Zeit, der nicht aus der Geronto-Abteilung stammt. Die taz sprach vor dem heutigen Rückrundenstart der zweiten Liga mit Kleppinger, dessen Motto lautet: „Als Einzelkämpfer gewinnst du nichts.“

taz: Glückwunsch, Herr Kleppinger. Die Spieler fühlen sich verstanden: „Er spricht unsere Sprache.“Und Präsident Heinz Weisener hält Sie für einen „Super-Typ“. Ist das der „Kleppo-Effekt“?

Gerhard Kleppinger: Es ist schön, wenn man Gutes hört. Hoffentlich bleibt das so. Aber man setzt sich jetzt auch unter Druck, um dies zu bestätigen.

Wem gegenüber?

In der Außenwirkung ist es schon so, daß vom Aufstieg gesprochen wird. Ich wehre mich dagegen. Wir wollen von Spiel zu Spiel schauen und schönen Fußball spielen. Es ist bei sechs Punkten Rückstand schwer, noch einmal oben ranzukommen. Und ich bin sicher: Wir werden auch Nackenschläge hinnehmen müssen.

Sind sie diplomierter Pessimist?

Wir haben noch eine sehr ruhige Mannschaft. Sie spricht zuwenig auf dem Platz. Die Chancenauswertung müßte besser sein. Ich erwarte von allen, einen deutlichen Sprung nach vorne. Keiner hat bisher auf dem Level gespielt, wie er es kann. Und was unsere Schwächen angeht: Die werden in den Meisterschaftsspielen aufgedeckt.

Und dann ...?

... wird es Kritik geben, auch an mir. Da muß man sich nichts vormachen, das ist in einer Medienstadt wie Hamburg nur eine Frage der Zeit. Wie gut der Zusammenhalt wirklich ist, erkennt man sowieso erst, wenn es schlecht läuft.

Derzeit können Sie sich aber nicht beschweren.

Will ich auch gar nicht, es klappt.

Auch die angekündigte Stärkung der Nachwuchsförderung? Der FC muß seinen Saisonetat 1998/99 wegen geringerer TV-Gelder um fünf Millionen Mark kürzen und kann keine teuren Spieler mehr kaufen.

Die Mannschaft muß verjüngt werden. Das heißt aber nicht, daß wir nur A-Jugendliche holen. Man muß auch ein gesundes Mittelalter haben, zwischen 24 und 28 Jahren. Und man braucht erfahrene Spieler.

Dann kann die Fraktion der über-30jährigen Stammspieler – Carsten Pröpper, Juri Sawitschew, Klaus Thomforde und André Trulsen – vorerst aufatmen.

Ich bin froh, daß sie Leistungsträger sind. Ich werde einen Teufel tun, da etwas umzustrukturieren. Mir ist ein 32jähriger, der Gas gibt, lieber, als ein 20jähriger, der rumläuft wie eine Schlaftablette.

Was machen Sie mit Spielern, denen der rechte Schwung fehlt?

Spreche ich mit einem Spieler, und es kommt dennoch nichts, paßt der nicht in meine Mannschaft.

Wird dann aus dem Kumpel Kleppo der harte Herr Kleppinger?

Wenn ein Spieler nicht das tut, was ich will, kriegt er Streß mit mir und bekommt was zwischen die Hörner (Karl Werner, Kaliphe Sidibe und Jacques Goumai sind nicht mehr im Kader; die Red.). Ich bin grundsätzlich der Auffassung: Ohne Leidenschaft geht es nicht, in keinem Beruf.

Sie glauben, die fehlt manchem?

Einer, der meint, er könne sich auf lau durchschleichen, fällt irgendwann auf die Schnauze. Wir können keine Weicheier brauchen.

Fragen: Clemens Gerlach FC St. Pauli – Greuther Fürth, heute um 19 Uhr, Millerntor