: Der öffentliche Griff in die Trickkiste
■ Mit Scheinprivatisierungen wie dem Verkauf der Gaswerke vertuscht Hamburg, wie viele Schulden die Stadt wirklich hat
Wenn die öffentlichen Hände ihre gesetzlichen Kreditobergrenzen ausgeschöpft haben, geben sie noch lange nicht auf. Ein tiefer Griff in die Trickkiste hilft in solchen Fällen weiter. Besonders beliebt, weil sehr erfolgreich, ist dabei der Kniff mit der Scheinprivatisierung öffentlichen Vermögens.
Dabei werden staatlicher Besitz oderUnternehmen aus dem ordentlichen Haushalt ausgegliedert. Diese scheinselbständigen Firmen können sich ungehemmt auf dem Kapitalmarkt bedienen. Denn gesetzliche Haushaltsgrenzen und die Kontrolle durch das Parlament greifen nicht mehr. Da der Staat aber immer noch Eigentümer der Unternehmen ist, geben die Banken bereitwillig hohe Kredite.
Bei den Kommunen, die einer erheblich strengeren Kreditaufsicht unterliegen als der Bund, ist diese Schattenwirtschaft besonders beliebt. Gewöhnlich sind weit mehr als die Hälfte städtischer Schulden in ausgegliederten Unternehmen versteckt.
Ob bei der Stadtreinigung, bei Friedhöfen oder Krankenhäusern – auch in Hamburg hat die Schattenwirtschaft Konjunktur. Besonders genial zeigte sich dabei 1995 der damalige Finanzsenator und jetzige Erste Bürgermeister Ortwin Runde (SPD): Zunächst wurde die Stadtreinigung in eine GmbH umgewandelt. Ihren Kaufpreis von 166 Millionen Mark zahlte sie dabei aus eigener Tasche – sprich: aus der der Gebührenzahler. Dann kaufte die Stadtreinigung der Stadt für 1,4 Milliarden Mark das Hamburger Sielnetz ab. Das Geld kam zunächst von den Banken – letztlich aber tragen die Hamburger diese staatliche Zusatzverschuldung über die Abwassergebühr. Fast zwei Milliarden Mark konnte Runde 1995 und 1996 so mobilisieren. Einen Trick der Sonderklasse leistete sich die Stadt erst in diesem Jahr mit dem Verkauf der Hamburger Gaswerke (HGW) an die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) und an den Gasriesen Thüga. Der Verkaufserlös von 400 Millionen Mark wanderte in die Stadtkasse; aus der Stadt-Tochter HGW wurde eine Halbenkelin. Der finanztechnische Trick heißt auch hierbei „Vermögensmobilisierung“. Durch die Umwandlung von der Tochter in eine Enkelin gelang es dem Senat, einen Teil der stillen HEW-Reserven, beispielsweise Rücklagen für die Entsorgung von AKW-Bestandteilen, in den Stadthaushalt umzuleiten. Mittlerweile ist die Stadt Hamburg an 330 Unternehmen mit rund 45.000 Beschäftigten beteiligt. Und jedes Jahr gibt es neue Ausgliederungen.
Florian Marten
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