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Wärmestube PDS

■ Christian von Ditfurth beschreibt die Milieupartei, die aus dem Osten kam und im Osten geblieben ist. Bei den Mitgliedern dominiert Abwehr

Es ist offenbar nicht zusammengewachsen, was vielleicht zusammengehört hätte. Achteinhalb Jahre nach dem Sonderparteitag der SED, der im Dezember 1989 zu deren Umbenennung in SED- PDS und zum erklärten Bruch mit dem Stalinismus führte, resümiert der Autor Christian von Ditfurth: „So wie sie ist, ist die PDS keine Partei für Menschen, die in der Bundesrepublik linke Politik machen wollen. Aber die PDS ist die einzige linkssozialistische Partei in Deutschland.“ Das Projekt PDS, fährt Ditfurth in seinem jetzt erschienen Buch „Ostalgie oder linke Alternative – meine Reise durch die PDS“ fort, „ist gescheitert.“

Das Projekt also gescheitert, die Partei dennoch die stärkste im Osten Deutschlands? Ditfurth treibt den Widerspruch noch weiter: „Die PDS wird nicht zerbrechen: Sie wird statt dessen weitere Wahlerfolge erzielen. Und sie wird über kurz oder lang auch in einer ostdeutschen Landesregierung sitzen.“ (S.270) Freuen will sich der Autor, der seit Wendezeiten immer wieder durch die verschiedenen PDS-Parteigliederungen, PDS-nahen Verbände und die diversen Plattformen in der PDS getingelt ist, darüber aber nicht. Zwar gebe es mittlerweile in der PDS „demokratische Sozialisten, aber sie sind ideologisch in der Minderzahl. Sie geben zwar politisch nach außen den Ton an, aber dies nur, weil die Traditionalisten keine Strategie haben und auch wissen, daß die Partei und damit sie auch schlagartig an Bedeutung verlören, wenn sie die Reformer aus der Führung vertrieben.“ (S.270)

Die Aufarbeitung der SED-Geschichte – für Christian von Ditfurth schlicht gescheitert. Unter den verbliebenen rund 100.000 Mitglieder dominiert ihm zufolge der Blick zurück im Zorn, der „antistalinistische Grundkonsens“ ist demnach zwischenzeitlich wieder aufgeweicht und das moderne Erscheinungsbild nicht mehr als eine trügerische Fassade. Die Partei, so die fast schon bittere Aussage, „hat sich nicht erneuert, sie leistet sich Erneuerer in der Führung. Sie leistet sich einen demokratischen Sozialismus, den an der Basis kaum einer kennt oder kennen will.“ Zur Haltung der überwiegenden Mehrheit in der PDS zitiert Ditfurth den Göttinger Politologen Tobias Dürr: „Die DDR als Lebensgefühl ist ihr Hort, die PDS ihre Wärmestube.“ (S.273)

Wer einem Unrechtsstaat gedient habe, „steht schlechter da als einer, der im Geiste der Geschichte handelte. Außerdem empfinden viele PDS-Mitglieder inklusive des Parteivorstandes die Prozesse gegen Mauerschützen, DDR-Richter und Politbürokraten als Herabsetzung aller DDR- Bürger.“ (S.80) Faktor Heimat nennt Ditfurth das.

Den Stalinismus verortet Ditfurth im Grunde genommen nur bei einem Bruchteil der Parteimitglieder. Ausgemacht hat er ihn vor allem in der Kommunistischen Plattform und im Marxistischen Forum: „Was der KPF nicht gelungen ist, hat das Forum binnen kürzester Zeit geschafft: Themen in der Partei zu besetzen und deren Interpretation für die PDS verbindlich zu machen. Das gilt besonders für die juristische Rechtfertigung der DDR. Was die historische Legitimität des SED-Staats angeht, gibt es in der PDS schon seit ihrer Gründung eine umfassende Übereinstimmung aller politischen Flügel.“ (S.81)

An der Basis habe sich die Argumentation durchgesetzt, „daß man von nichts gewußt habe (erstens), daß die Diktatur – ja, auch Stalin – nicht nur Schlechtes geschaffen habe (zweitens), daß man früher unbehelligt auf der Straße gehen konnte (drittens), daß die ,anderen‘ auch Verbrechen begangen hätten (viertens) und daß endlich Schluß sein müsse mit der Erinnerung an die Vergangenheit (fünftens).“ (S.148)

Beispielhaft führt Ditfurth zum Beleg seiner Aussagen die parteiinterne Auseinandersetzung um die inhaltliche Erneuerung der PDS an. „Zehn Thesen zum weiteren Weg der PDS“ hatte der Vorstand im Januar 1995 als Diskussionsgrundlage für den 4. Parteitag unterbreitet. Unter anderem hieß es darin: „Da es um das Überleben der Menschheit geht, lassen sich die Probleme der Gegenwart und Zukunft nicht mit einem vereinfachten und reduzierten Denken in den Kategorien von Klassenkampf oder Sozialpartnerschaft erreichen.“ In der Partei brach ein Sturm der Entrüstung los, dem angedachten Konzept eines neuen und notwendigen Gesellschaftsvertrags mochte die Mehrheit nicht folgen. Der Parteivorstand zog daraufhin seine Thesen zurück, verabschiedet wurde ein Papier zu den „fünf wichtigsten Punkten in der gegenwärtigen Debatte“. Diese fünf Punkte richten sich vor allem an die Partei. Insofern, schreibt Ditfurth, „endete der Versuch, die PDS programmatisch und strategisch vorwärtszubringen, weitgehend in der Bekräftigung bereits erzielter Erneuerungsfortschritte gegen eine stärker werdende Fronde des Traditionalismus. Statt die Partei weiterzuentwickeln, mußten Bisky, Gysi und André Brie retten, was zu retten war, gegen die erstarkenden restaurativen Kräfte.“ (S.246)

Anzumerken bleibt, daß sich der Autor mit der pragmatischen Politik der PDS in den neuen Bundesländern allenfalls am Rand beschäftigt. Er hat ein Sittengemälde der Milieupartei gezeichnet. Und dieses dürfte den GenossInnen – mit wenigen Ausnahmen unter den „Erneuerern“ – kaum gefallen. Wolfgang Gast

Christian von Ditfurth: „Ostalgie oder linke Alternative“. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998, 314 S., 39.80 DM

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