: Brandenburgs Alleen heiliggesprochen
Der Aufruhr hat genützt: Die 12.000 Kilometer Straßenalleen in Brandenburg werden nicht abgeholzt, sondern mit neuen Straßen links und rechts umbaut. Gleichzeitig legt das Land 14 regionale Bahnstrecken still ■ Von Ansgar Oswald
Berlin (taz) – Der gemeinsame Runderlaß vom brandenburgischen Verkehrs- und Umweltministerium ist nach heftigem Wirbel und Protesten vorerst vom Tisch. „Die Straßenverkehrsämter hatten leider die Formulierung, daß ,Alleen umzubauen sind‘, als Freibrief zum Abholzen verstanden“, heißt es aus den Ministerien.
„Die Alleen müssen uns heilig sein“, forderte nun Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD). Er fand damit einhellige Resonanz im Landeskabinett und hat nun seinerseits mit dem brandenburgischen Verkehrsministerium eine eigene Weisung herausgegeben. Demnach sind die Straßenverkehrsbehörden angehalten, auf den Alleen „die Höchstgeschwindigkeit auf 80 und weniger Stundenkilometer zu begrenzen“. Überholverbote, Fahrbahn- und Fahrstreifenbegrenzungen und beidseitig der Fahrbahn aufgestellte Verkehrszeichen, Baumspiegel, Richtungstafeln und Schutzplanken sollen zusätzlich Unfälle verhindern helfen.
Immerhin hatte 1997 das Land eine bislang unerreichte traurige Spitzenbilanz von 4.138 Baumunfällen. Davon endeten 338 tödlich. Auch in den vorangegangenen Jahren führte Brandenburg bundesweit die Unfallstatistik an. Während man mit dem Verkehrssicherheitserlaß künftig manchen Unfall zu verhindern können glaubt, ist die Rettung des über hundertjährigen Alleenbestandes ungewiß. „Die alten Alleen werden bald verschwinden“, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Das Wurzelwerk kann dem starken Verkehr nicht standhalten. Deshalb soll der Sicherheitserlaß vom Verkehrs- und Umweltministerium flankiert werden. Beide arbeiten derzeit an einem Papier. Es soll Ideen anregen, wie die Alleen geschützt werden können.
Unter anderem ist vorgesehen, 4,50 Meter von der Fahrbahnkante entfernt neue Bäume zu pflanzen. Allein 38.000 Bäume wurden zwischen 1992 und 1997 neu gepflanzt. Aber die Altbäume sterben schneller weg, als nachgepflanzt werden kann. Das Verkehrsministerium regt außerdem an, links und rechts der alten Alleen neue Straßen zu bauen. Eine erste Modellstrecke soll bis 2000 zwischen Perleberg und Pritzwalk entstehen.
Umweltschutz- und Fahrgastverbände wie der Verkehrsclub Deutschland verlangen statt dessen, endlich das Schienennetz im Land auszubauen. So sieht es auch das Nahverkehrsgesetz von 1995 vor. Nach Auskunft des Fußgängerschutzvereins FUSS sollen jedoch allein zum Fahrplanwechsel im Mai 1998 wieder 14 Regionalstrecken mit einer Gesamtlänge von 265 Kilometern stillgelegt werden.
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