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Reise auf Bewährung

■ Kann UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit seiner Mission in Bagdad Saddam Hussein zum Einlenken bringen und gleichermaßen die USA zufriedenstellen? Das Beispiel seines Vorgängers stimmt skeptisch. Aus Genf Andreas Zumach

Reise auf Bewährung

Der Anruf aus Lima, der UNO-Generalsekretär Kofi Annan in New York erreichte, enthielt Ermunterung und Warnung zugleich. Vorvorgänger Javier Pérez de Cuéllar bestärkte am Montag Annan in seinem Streben nach einer diplomatischen Lösung der Irak-Krise. Zugleich warnte Pérez de Cuéllar, eine Reise nach Bagdad sei nur bei Unterstützung durch alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ratsam.

Der UNO-Generalsekretär der Jahre 1982 bis Ende 91, inzwischen Chef einer Oppositionspartei in Peru, weiß aus eigener schlechter Erfahrung, wovon er spricht. Vor dem letzten Golfkrieg bemühte sich Pérez mehrfach in Bagdad um einen Rückzug der irakischen Besatzungstruppen aus Kuwait. Er hatte hierfür grünes Licht des gesamten Sicherheitsrates – zumindest auf dem Papier. Und – anders als heute Annan – kannte er Iraks Präsidenten Saddam Hussein und Außenminister Tarek Aziz (heute Vizepremier) persönlich aus seinen erfolgreichen Vermittlungsgesprächen über den Waffenstillstand zwischen Irak und Iran im Sommer 1988. Nach seinem Scheitern im Januar 91 und dem Beginn des zweiten Golfkrieges erwog Pérez de Cuéllar seinen Rücktritt. In seinen Ende 1997 erschienen Memoiren (siehe Kasten) macht der ehemalige UNO-Generalsekretär deutlich, daß er schon vor seiner letzten Bagdad-Reise fest mit dem militärischen Angriff der US-geführten Allianz gegen Irak rechnete.

Die Ausgangsbedingungen für Annans morgige Vermittlungsreise nach Bagdad sind noch ungleich schwieriger als vor sieben Jahren. Das Scheitern dieser in weiten Teilen nicht nur der US- Medien auch zur persönlichen Bewährungsprobe des UNO-Generalsekretärs hochstilisierten Mission ist wahrscheinlicher als ein Erfolg. Wie Pérez de Cuéllar leitet auch Annan seinen Auftrag zur Friedensdiplomatie aus der UNO- Charta ab. Nach Artikel 99 hat der Generalsekretär sogar das Recht, auf eigene Initiative und ohne ausdrücklichen Auftrag durch den Sicherheitsrat aktiv zu werden. Doch politisch ist dies nur graue Theorie, wie auch seine Berater und Sprecher einräumen. Ohne eine vorherige Verständigung zumindest unter den fünf ständigen Ratsmitgliedern (P5) würde der Generalsekretär nicht nach Bagdad fliegen. Dabei ist der in der Nacht zum Mittwoch erzielte Konsens unter den P5 über das Angebot, das der Generalsekretär der irakischen Führung unterbreiten darf, im besten Fall hauchdünn (siehe unten). Nach Angaben einiger Diplomaten, die mit dem Verlauf und dem Ergebnis der Beratungen zwischen den P5-Botschaftern und Kofi Annan vertraut sind, bestand zum Ende der Sitzung in einigen „nicht unwesentlichen Details“ sogar noch Dissens. Doch selbst wenn dieser Dissens bis zur Abreise Annans aus New York noch ausgeräumt wird und selbst wenn – womit in der UNO-Zentrale kaum jemand rechnet – Bagdad dem von Annan übermittelten Angebot zustimmen sollte: Die USA behalten sich ausdrücklich vor, die Antwort, mit der Annan voraussichtlich am Montag aus Bagdad zurückkehrt, als unzureichend abzulehnen.

Vor sieben Jahren war sich die große Mehrheit der 185 UNO- Staaten einig in der Verurteilung der irakischen Invasion in Kuwait als Bruch des Völkerrechts. Die „Operation Wüstensturm“ war zwar kein Krieg der UNO, stieß aber bei einer großen Zahl ihrer Mitglieder zumindest auf stillschweigendes Einverständnis. Heute ist die Sachlage viel weniger eindeutig und sind damit auch die Erwartungen, die sich an Kofi Annans Vermittlungsmission knüpfen, viel komplexer. Eine große Mehrheit der UNO-Staaten hofft darauf, daß Annan doch noch eine diplomatische Lösung erreicht, die einen erneuten Krieg vermeidet. Wie konsequent künftig die Sanktionen gegen Irak und das uneingeschränkte Recht der Unscom durchgesetzt werden sollen, wird auch innerhalb dieser Mehrheit unterschiedlich beurteilt. Auf der anderen Seite haben die USA in den letzten Wochen unter den UNO-Mitgliedern wie in der New Yorker UNO-Zentrale zunehmend den Eindruck erweckt, es gehe ihnen gar nicht – oder zumindest nicht in erster Linie – um die Durchsetzung bestehender UNO- Resolutionen zur international kontrollierten Vernichtung irakischer Massenvernichtungsmittel, sondern um die Schwächung der Machtbasis Saddam Husseins etwa durch Zerstörung seiner Garden sowie um geostrategische Ziele in Nahost und die Möglichkeit zur Erprobung neuer Waffen. Stimmt dieser Eindruck, dann kann Annans Vermittlungsversuch in Bagdad wohl nur scheitern.

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